Die SBB haben den Unterhalt der Gleise jahrelang vernachlässigt – und wollen das wieder ausbügeln. Für Pendler verheisst das zunächst nichts Gutes. «Die Zahl der Baustellen wird noch steigen», sagte Toni Häne (63), Chef Personenverkehr der SBB, am Mittwoch im BLICK.
Und es droht noch mehr Ungemach. Denn das Parlament hat im Sommer beschlossen, das Bahnnetz bis 2035 weiter auszubauen, für knapp 13 Milliarden Franken. Das bedeutet weitere Baustellen. Bei den SBB kommt das weniger gut an. «Es ist wichtig, dem Substanzerhalt weiterhin Priorität vor dem Ausbau zu geben», heisst es im Lagebericht zur Infrastruktur der SBB. Und CEO Andreas Meyer (58) sagt zu BLICK, dass es für die Planung eine Herausforderung sei, nicht zu viele Baustellen auf einmal zu haben. Haben die Parlamentarier den Pendlern also ein Ei gelegt?
«Nein», sagt FDP-Nationalrat Kurt Fluri (63). Der Bahnausbau helfe langfristig und sei auch so geplant worden. «Die SBB müssen genügend Personal bereitstellen, um die Arbeiten kundenfreundlich durchzuführen. Die Politik muss aber akzeptieren, dass dies etwas kostet und es eine schlechtere Bilanz gibt.» Das Ziel soll aber sein, mit möglichst wenig Verspätungen auszukommen.
Bus statt Bahn?
Als einziger Parlamentarier gegen den Ausbau gestimmt hat Erich Hess (38) von der SVP. Jedoch nicht, um die Pendler vor Verspätungen zu schützen, sondern weil «der Schienenverkehr im Vergleich zum Strassenverkehr viel zu stark subventioniert wird».
Für Hess ist aber klar, dass die zusätzlichen Baustellen zu mehr Verspätungen führen. «Man muss überprüfen, ob man bei den vielen neuen Strecken auch bestehende Linien, die wenig genutzt werden, aufheben und durch Busse ersetzen soll.» Busse könnten einen besseren Service bieten und seien erst noch günstiger, sagt Hess.
Volk hat Bahnausbau zugestimmt
SP-Nationalrat Thomas Hardegger (63) hält das für kreuzfalsch: «Man sollte nicht vorschnell Strecken schliessen. Ist einmal eine geschlossen, kommt sie nie wieder.» Das Volk habe 2014 mit seiner Zustimmung zur Vorlage «Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur» Ja gesagt zu den Bahnausbauten. «Wer A sagt, muss auch B sagen – das Parlament muss nun die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen.»
Angst, dass Bahnfahrer wegen der Verspätungen aufs Auto umsteigen, hat Hardegger nicht. Aber: «Die Planung und die Ressourcenzuteilung für die Baustellen ist anspruchsvoll.» Wichtig sei, genügend Reserven bei den Fahrplänen einzuberechnen, damit die Anschlüsse klappen.
Geschenke im Wahljahr?
Die Bahngewerkschaft SEV kritisiert die Parlamentarier scharf. «Die SBB konzentrieren sich zu Recht auf den Unterhalt, denn hier müssen sie Versäumnisse nachholen», so Vizepräsident Manuel Avallone (57). «Die Politik interessiert das in einem Wahljahr leider nicht.»
Ohne Augenmass habe das Parlament den weiteren Ausbau beschlossen und vergessen, dass alles, was gebaut werde, auch unterhalten werden müsse. «Und wenn es dann wieder Baustellen gibt, nerven sie sich über Verspätungen und Ausfälle.»