«Soprano» starb still und heimlich: Mitte März entschieden die Parlamentsdienste, das Informatik-Projekt mit dem klingenden Namen einzustellen.
Wäre es in Betrieb gegangen, hätte «Soprano» National- und Ständeräten die Arbeit erleichtert, ihnen Übersicht geboten über eine Vielzahl an politischen Geschäften sowie damit zusammenhängenden Berichten, Gesetztestexten und Medienmitteilungen: ein praktisches digitales Werkzeug also im immer noch papierüberfrachteten parlamentarischen Prozess.
Im Mai 2018 lief die Entwicklung an. Knapp zwei Jahre und rund 1,8 Millionen Franken später steht der Bund vor einem Scherbenhaufen. Aus internen Dokumenten, die SonntagsBlick einsehen konnte, geht hervor, woran es gelegen hat. Von wiederholten Verzögerungen seitens des Lieferanten ist die Rede, von Zusatzkosten «in unbekannter Höhe» und – ganz grundsätzlich – von technischen Mängeln.
Schwierigkeiten kamen nicht über Nacht
Die Schwierigkeiten traten allerdings nicht über Nacht auf. Ursprünglich hätte «Soprano» bereits im August 2019 in Betrieb gehen sollen. Im Juni fand eine «Teilabnahme» des Systems statt, eine Art Testbetrieb scheint damals seinen Anfang genommen zu haben. Im November wurde der Start von «Soprano» dann aber um mehr als ein Jahr verschoben, auf Oktober 2020.
Einige Zeit später erklärte der Lieferant, dass auch dieser Termin nicht einzuhalten sei. Vor drei Monaten zogen die Parlamentsdienste – also jene Stelle, die den Betrieb der eidgenössischen Räte organisiert – die Reissleine. Darüber informieren aber wollten die Parlamentsdienste nicht, erst im Juni wurden die Räte über das Ende von «Soprano» in Kenntnis gesetzt.
Bis heute geben sich die Organisatoren des Bundes zugeknöpft. Momentan könne einzig bestätigt werden, dass das Projekt abgebrochen wurde, schreibt Mark Stucki, Sprecher der Parlamentsdienste, auf Anfrage.
Keine Antworten von Parlamentsdiensten
Weshalb der Abbruch gerade jetzt erfolgte, warum nicht kommuniziert wurde, welche Kosten auf den Bund zukommen, ob die Anforderungen an «Soprano» im Verlaufe der Entwicklung angepasst wurden – auf all diese Fragen geben die Parlamentsdienste keine Antwort.
«Die finanziellen und vertraglichen Auswirkungen sind zurzeit in Abklärung, ebenso welche Lehren gezogen werden müssen und in welcher Form die Anforderungen umgesetzt werden sollen», so Stucki knapp.
Tatsächlich geht aus den Unterlagen hervor, dass der Lieferant noch auf der Begleichung von weiteren zwei Millionen Franken für bereits getätigte Leistungen besteht. Die Parlamentsdienste wiederum fordern die schon bezahlten 1,8 Millionen zurück.
Kosten bis zu einer halben Million
Eine Einigung konnte bislang nicht erzielt werden. Die Parlamentsdienste gehen davon aus, dass bei einem Prozess erstinstanzliche Verfahrenskosten von bis zu einer halben Million anfallen könnten.
Nun soll eine «juristische Zweitmeinung», wie es in einem Schreiben der Parlamentsdienste heisst, «Chancen und Risiken einer Klage» gegen den Lieferanten besser beurteilen.
Im Parlament reagiert man konsterniert. Als Gerüchte über den «mehrmals»-Abbruch die Runde machten, habe man die Parlamentsdienste zu einer Sitzung aufgeboten, um den Sachverhalt darzulegen, sagt Mauro Tuena (48, ZH), SVP-Nationalrat und Präsident der Gruppe Parlaments-IT, auf Anfrage. «Nach dieser intensiven Arbeit seitens Zulieferern und Parlamentsdiensten müsste es möglich sein, das Projekt zum Laufen zu bringen.» Das sei man den Steuerzahlern schuldig.
«Insieme»: Die Mutter aller Schweizer Informatik-Skandale suchte Bundesbern 2012 heim: Das Projekt, das die getrennten Systeme von Stempel- und Mehrwertsteuer hätte zusammenführen sollen, musste von der damaligen Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf (64, BDP) beendet werden. Zu diesem Zeitpunkt waren die Kosten längst aus dem Ruder gelaufen. Sie beliefen sich auf mehr als 100 Millionen Franken.
«Mistra»: 2013 stellte die Eidgenössische Finanzkontrolle fest, dass die Kosten für das Informationssystem «Mistra» des Bundesamts für Strassen (Astra) massiv überschritten wurden: Statt der budgetierten 43 Millionen schlugen rund 100 Millionen Franken zu Buche. Auch die Kosten eines zweiten Astra-Projekts, des Informationssystems Verkehrszulassung (IVZ), fielen deutlich höher aus als geplant.
Vergabe-Praxis: 2014 deckte der «Tages-Anzeiger» auf, dass sich ein Mitarbeiter des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) von Informatikunternehmern hatte bestechen lassen. Kurz darauf musste die Leiterin der Zentralen Ausgleichskasse des Bundes mit Sitz in Genf abtreten. Auch dort waren Auf- träge gesetzeswidrig vergeben worden.
«Insieme»: Die Mutter aller Schweizer Informatik-Skandale suchte Bundesbern 2012 heim: Das Projekt, das die getrennten Systeme von Stempel- und Mehrwertsteuer hätte zusammenführen sollen, musste von der damaligen Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf (64, BDP) beendet werden. Zu diesem Zeitpunkt waren die Kosten längst aus dem Ruder gelaufen. Sie beliefen sich auf mehr als 100 Millionen Franken.
«Mistra»: 2013 stellte die Eidgenössische Finanzkontrolle fest, dass die Kosten für das Informationssystem «Mistra» des Bundesamts für Strassen (Astra) massiv überschritten wurden: Statt der budgetierten 43 Millionen schlugen rund 100 Millionen Franken zu Buche. Auch die Kosten eines zweiten Astra-Projekts, des Informationssystems Verkehrszulassung (IVZ), fielen deutlich höher aus als geplant.
Vergabe-Praxis: 2014 deckte der «Tages-Anzeiger» auf, dass sich ein Mitarbeiter des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) von Informatikunternehmern hatte bestechen lassen. Kurz darauf musste die Leiterin der Zentralen Ausgleichskasse des Bundes mit Sitz in Genf abtreten. Auch dort waren Auf- träge gesetzeswidrig vergeben worden.