Diese Woche hat die Schweiz heftig gestritten, ob die Autobahnen zwischen den grossen Städten konsequent auf sechs Spuren ausgebaut werden sollen. So wie das der Bundesrat plant.
Die Meinungen gehen vor allem bei der Frage auseinander, ob das bei den zunehmend automatisierten Autos nötig ist. Klaus Zweibrücken (61), Professor für Verkehrsplanung an der Hochschule für Technik in Rapperswil SG, erklärte im BLICK, selbstfahrende Fahrzeuge seien künftig so gut organisiert und aufeinander abgestimmt wie Ameisen. Und die kennen keinen Stau.
TCS-Vizepräsident Thierry Burkart (43) hingegen findet: «Mit autonomen Fahrzeugen und künstlicher Intelligenz werden auch Rentner oder kleine Kinder die Strassen benützen, also braucht es mehr Platz.»
Auch der Bundesrat befasst sich mit dem automatisierten Fahren. Er arbeitet auf Hochtouren an der Revision des Strassenverkehrsgesetzes. Diese will er «voraussichtlich» dieses Jahr in Vernehmlassung geben, sagt Thomas Rohrbach (46), Sprecher vom Bundesamt für Strassen.
Je mehr digitale Vernetzung desto weniger Flächenbedarf
In einem Bericht zum «Automatisierten Fahren» hat der Bundesrat die Stossrichtung skizziert. Die neuen Technologien seien nur dann besonders interessant für eine «sichere, sauberere und effizientere Mobilität», wenn es sehr viele automatisierte Fahrzeuge gebe und diese untereinander umfassend vernetzt würden.
Wenn die Entwicklung jedoch nur in Richtung Komfortgewinn für die Autofahrer und ergänzende Mobilitätsangebote für den Individualverkehr geht, befürchtet der Bundesrat negative Folgen: noch mehr Flächenbedarf für Strassen, noch grössere Umweltbelastung. Sprich: Sechsspurige Autobahnen wären dann dringlicher.
Linke diktieren bereits Regulierungen
Dieses Szenario schreckt linke Verkehrspolitiker auf. Der Verein Umverkehr hat bereits Rahmenbedingungen und Abwehrmassnahmen gegen selbstfahrende Fahrzeuge definiert, die er im neuen Gesetz gerne umgesetzt hätte.
> Selbstfahrende Fahrzeuge sollen nur als Sharing-Angebot zugelassen werden. Das heisst, Private dürften solche Autos nicht alleine besitzen.
> Selbstfahrende Fahrzeuge wären in ein zentrales Verkehrsleitsystem einzubinden.
> Es darf nicht mehr in Infrastruktur investiert werden, die wir künftig nicht benötigen.
Umverkehr ist überzeugt: «Ohne entsprechende Rahmenbedingungen führen selbstfahrende Fahrzeuge zu Mehrverkehr und damit direkt in eine verkehrspolitische Sackgasse.» Dringend zu klären seien auch Fragen bezüglich Haftung, Datenschutz und Cybersecurity. «Die Gefahr, dass die Chance der Automatisierung ohne entsprechende Rahmenbedingungen zu einem grossen Risiko wird, ist sehr gross», sagt Umverkehr-Kampagnenleiter Daniel Costantino (48).
Bundesrat setzt nicht auf Schweizer Sonderregeln
Der Bundesrat dürfte seine Schwerpunkte anders setzen. Er wird sich an den Vorgaben des Wiener Übereinkommens orientieren, das in Europa die Verkehrsregeln grenzüberschreitend koordiniert. Zudem will er sich die Kompetenz geben lassen, die Zulassung und den Verkehr von automatisierten und selbstfahrenden Fahrzeugen auf Verordnungsstufe zu regeln. So könnte er flexibler auf Entwicklungen reagieren als via Gesetz.
Gut möglich ist auch, dass der Bundesrat im neuen Strassenverkehrsgesetz bereits konkrete Regeln für automatisierte Fahrzeuge festschreibt. Zum Beispiel kleinere Abstandsvorschriften für Fahrzeuge im automatisierten Modus. Oder die erleichterte Zulassung für Fahrzeugführer mit leichten Behinderungen durch die Auflage von wie Notbremse- oder Nachtsicht-Fahrassistenzsystemen.