Das Auto quasi selber fahren zu lassen, das ist ab dem 1. März auch in der Schweiz möglich. Zumindest in der Theorie. Das Bundesparlament hatte im Frühjahr 2023 die Revision des Strassenverkehrsgesetzes verabschiedet. Ab 1. März sind drei Anwendungsfälle für das automatisierte Fahren erlaubt: Neu dürfen Lenkerinnen und Lenker eines automatisierten Fahrzeugs auf Autobahnen einen Autobahnpiloten verwenden. Die Voraussetzung aber ist, dass das Fahrzeug über ein Autopilotsystem der Stufe 3 verfügt. Bisher gibt es in der Schweiz aber noch keine entsprechende Zulassung.
Ebenfalls erlaubt ist der Einsatz von führerlosen Fahrzeugen auf behördlich genehmigten Strecken. Zudem ist auch das automatisierte Parkieren ohne Anwesenheit eines Fahrzeuglenkenden innerhalb dafür definierter und signalisierter Parkhäuser und Parkplätze möglich.
Mercedes und BMW fahren in Deutschland bereits selber
Allerdings wird die Revolution nicht am kommenden Samstag stattfinden. Denn kein Autofahrer wird von der Gesetzesrevision profitieren können: «Bisher hat kein Hersteller ein Zulassungsgesuch für ein solches System in der Schweiz eingereicht», sagte Jérôme Jacky, Sprecher des Bundesamtes für Strassen (Astra), auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Es gibt bereits Autos wie den BMW i7 oder die Mercedes S-Klasse, die in Deutschland mit einem Autopiloten fahren. Aber in der Schweiz wird per Anfang März noch kein solches System aktiviert werden können.
«Das Gesetz war ausnahmsweise schneller als die Hersteller», sagte Jacky, aber das Astra hoffe, dass Letztere sich doch noch für den Schweizer Markt entscheiden würden. Denn automatisiertes Fahren erhöhe die Sicherheit und erhöhe die Kapazität auf den Autobahnen, so Jacky: «Es ist eine Chance für die Mobilität.»
E-Mails lesen und Serien schauen nicht möglich
Eine optimistische Sichtweise, die von der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU) teilweise geteilt wird. Die neue Rechtsgrundlage stelle die Fahrer vor ein Paradoxon, sagte ihr Sprecher Lucien Combaz auf Anfrage.
Auf der einen Seite werden die Autofahrer vom Zwang befreit, im Strassenverkehr stets aufmerksam zu sein, auf der anderen Seite müssten sie aber bereit sein, jederzeit wieder das Steuer in die Hand zu nehmen. Es sei demnach nicht möglich, während der Fahrt eine Serie anzuschauen, E-Mails zu beantworten oder die Zeitung zu lesen.
Die Verordnung besagt zwar, dass die Person am Steuer die Kontrolle wieder übernehmen muss, sobald das System sie dazu auffordert, aber sie besagt auch, dass der Fahrer in der Lage sein muss, selbst zu erkennen, dass die Verkehrssituation eine Wiederaufnahme der Kontrolle erfordert.
«Diese Formulierung ist ziemlich zweideutig», so Combaz. Für die BfU birgt die bedingte Automatisierung (Stufe 3) neue Risiken für die Fahrerinnen und Fahrer, die insbesondere mit der Versuchung zusammenhängen, sich anderen Aufgaben als dem Fahren zu widmen.
Combaz erinnerte daran, dass die Level-2-Assistenzsysteme, die den Spurhalteassistenten und den Geschwindigkeits- und Abstandsregler kombinieren, sich noch in der Anfangsphase der Evaluierung befinden. Es wurden bereits Schwachstellen bei unsachgemässer Nutzung, beispielsweise auf weniger gut ausgestatteten Ausserortsstrassen, aufgezeigt.
Menschliches Versagen als Hauptunfallursache
Das Potenzial der Automatisierung für die Verkehrssicherheit sei unbestritten. Dieses werde jedoch erst genutzt werden können, wenn die Fahrzeugflotte grösstenteils aus fahrerlosen, autonomen Fahrzeugen besteht - und somit der menschliche Faktor bei den Unfallursachen wegfällt.
95 Prozent aller Unfälle seien auf menschliches Versagen zurückzuführen, so Combaz weiter. Der Zwischenschritt der bedingten Automatisierung berge jedoch neue Risiken, die nicht unterschätzt werden sollten. Halbautomatisierte Systeme sind Teil eines Übergangs, der Zeit brauchen wird, sagte wiederum Jérôme Jacky vom Astra. Derzeit werden diese Systeme als Option für Spitzenmodelle ab 150'000 Franken angeboten.
Klar ist indes, dass sich die Mobilität weiterentwickeln wird. Heute werden Fahrzeuge in fünf Stufen klassifiziert: Stufe 0 entspricht einfachen elektronischen Systemen, während sich Stufe 5 auf völlig autonome Fahrzeuge ohne Lenkrad und Pedale bezieht. Ab dem 1. März werden in einem klar definierten Rahmen auch Fahrzeuge mit Systemen der Stufe 4, also ohne Fahrer, erlaubt sein.