Auf dem Land wird der gelbe Riese zum gelben Rinnsal
Nach den Poststellen schliessen auch die Agenturen

Vom Päckli-Boom profitieren die Dorfläden kaum – er bedeutet höchstens Mehrarbeit. Immer wieder schliessen Läden deshalb ihre Postschalter wieder. Nur in rund der Hälfte der Fälle findet sich Ersatz, hat K-Tipp herausgefunden.
Publiziert: 20.01.2023 um 09:35 Uhr
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Oft ist der Volg-Laden auch eine Post.
Foto: Volg ZVG

Schliesst eine Poststelle, werden die Anwohner im Einzugsgebiet oft damit vertröstet, dass dafür eine Postagentur entsteht. Diese hat allenfalls sogar die längeren Öffnungszeiten als die vorherige Poststelle – so lange sie denn existiert.

73 Läden oder Apotheken, die eine Agentur führten, sendeten dem gelben Riesen 2022 den blauen Brief. Wie der K-Tipp in seiner neuesten Ausgabe schreibt, räumte die Post gegenüber dem Konsumentenmagazin ein, dass im letzten Jahr über 70 Shops die Verträge kündigten.

Vom eigenen Ziel entfernt

Die angepeilte Zahl von 800 selbst betriebenen Poststellen, an denen die Post versprach festzuhalten, hat sie längst unterschritten. Laut dem Magazin ist sie derzeit bei 773 Stellen. Tendenz sinkend – denn viele der Dorfläden schliessen ihre Postschalter nach wenigen Jahren wieder. Alleine 2021 trennten sich 51 Läden von Agenturen.

Der K-Tipp bringt das Beispiel der Luzerner Bäckerei Merz, die sich wieder auf Zopf und Gipfeli konzentriert. Mit der Agentur habe es immer wieder Ärger gegeben, heisst es dort. So habe die Post beschlossen, dass in den Agenturen keine Auslandspakete mehr aufgegeben werden können – ausser die Kunden führen die Zolldeklaration im Internet selbst aus.

Zu wenig Geld

Zudem ist im Artikel die Rede von einem Schwyzer Lebensmittelgeschäft, das die Agentur abgestossen hat, weil die Post die Vergütung dafür plötzlich um 20 Prozent gesenkt habe. Der Geschäftsinhaber wollte seinen Namen und den des Geschäfts nicht im Blatt lesen.

Auch Blick kennt einen Shop in der Region Bern, für den sich das Geschäft mit den Päckli nicht lohnt. Ebenfalls, weil die erhofften Zusatzgeschäfte ausblieben. Weil derjenige, der sein Zalando-Päckli zurückschickt, praktisch nie ins Regal greift und kaum je etwas aus dem Hauptangebot des Ladens kauft, hört dieser auch mit dem Postgeschäft auf. Dieses Geschäft möchte ebenfalls nicht genannt werden.

Offenbar will sich kaum eines der kleinen Geschäfte öffentlich mit dem gelben Riesen anlegen. Sie schliessen einfach ihre Postschalter, still und leise.

Postcom nickt alles ab

Dass der Postservice landesweit stabil bleibe, ist somit Augenwischerei. Die Post wehrt sich gegenüber dem K-Tipp zwar, dass, wenn eine Agentur schliesse, man in mehr als der Hälfte der Fälle in einem anderen Dorfladen eine neue Agentur eröffnen könne. Doch womöglich schliesst auch diese bald wieder.

Eine eigentümliche Rolle spielt beim Abbau die Eidgenössische Postaufsicht Postcom, deren Aufgabe es eigentlich wäre, die «postalische Grundversorgung» der Schweiz zu erhalten. «In den letzten zwei Jahren legten 23 Gemeinden bei der Postcom Beschwerden gegen Postschliessungen ein», schreibt der K-Tipp. In allen Fällen habe die Kommission die Post gewähren lassen – alle dieser 23 Filialen schlossen die Türen. (pt)


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