Mitten in Zürich, gestern Samstag, 13 Uhr, in einem voll besetzten, stickigen Hotelsaal: Über zwei Stunden lang debattiert alt Bundesrat Christoph Blocher mit SP-Nationalrat und Gewerkschafter Corrado Pardini (51, BE) über das Verhältnis der Schweiz zur Europäischen Union.
Eine hitzige Debatte auf Augenhöhe, wie Blocher sie liebt: Zahlreich das Publikum, die Gegner schenken einander nichts, gehen dann freundlich auseinander.
Als die Veranstaltung zu Ende ist, will sich der 75-Jährige mit seiner Gattin Silvia (72) auf den Heimweg nach Herrliberg ZH machen. Die Limousine steht bereit, doch auf dem Weg zum Hinterausgang geschieht es: Ein Mann greift Blocher an, schlägt auf ihn ein. Sicherheitsleute gehen dazwischen, drücken den Angreifer an die Wand – ein Messer fällt zu Boden.
Schnell werden Blocher und seine Frau in Sicherheit gebracht. Securityleute des Hotels umringen den Angreifer, halten ihn in Schach. Der Sicherheitschef des Hotels informiert währenddessen die Polizei.
Wenig später steigt der SVP-Doyen in den wartenden Wagen und fährt davon.
Innert weniger Minuten ist die Polizei mit drei Fahrzeugen und einem halben Dutzend Beamten am Schauplatz. Sie untersuchen und befragen den Täter. Nach kurzem Wortwechsel nehmen sie ihn mit auf den Posten.
Auch wenn Blocher längst nicht mehr im Bundesrat sitzt, auch wenn er das Parlament und das Vize-Parteipräsidium hinter sich gelassen hat – er bleibt im Land die politische Hassfigur Nummer eins.
Der SVP-Stratege schildert SonntagsBlick, wie er die Attacke erlebt hat: «Ein Mann fragte mich im Gang des Hotels: ‹Mögen Sie sich noch an mich erinnern?›» Er habe ihn angeschaut, gemustert und dann gefragt, wer er sei. «Da antwortete er: ‹Ich bin der, der Sie zum Bundesrat gemacht hat› und schlug mit der Faust auf mich ein.» Der Mann habe einen verwirrten Eindruck gemacht, berichtet der alt Bundesrat. Der Angegriffene kam mit dem Schrecken davon: Verletzt hat ihn der Gewalttäter nicht.
Nationalrat Mauro Tuena (44), der bei dem Anlass ebenfalls zugegen war, zeigt sich entsetzt: «Ich verurteile die Attacke auf das Schärfste.» Es dürfe nicht sein, dass politische Exponenten tätlichen Angriffen ausgesetzt würden. «Nicht auszudenken, was der Mann mit dem Messer angerichtet hätte, wäre er nicht gerade noch gestoppt worden!»
Das sei eine neue Dimension und eine sehr gefährliche Entwicklung. In der Schweiz sei man es gewohnt, dass Politiker ohne Personenschutz auf die Strasse gehen können. «Wir müssen alles Erdenkliche unternehmen, damit das auch in Zukunft so bleibt», so der Präsident der Stadtzürcher SVP.
Tuena fordert: «Personen, welche Gewalt ausüben, gehören bestraft!» Tatsächlich gibt es immer wieder Attacken auf Politiker in der Schweiz. Nicht immer enden sie glimpflich.
Christoph Blocher aber muss lange zurückdenken, um sich an tätliche Angriffe gegen ihn selbst zu erinnern. «In früheren Jahren bei linken Unruhen gab es das, seither nicht mehr», sagt er.