Atomausstieg aus Heimatliebe
So buhlen die Grünen um Bauern und Konservative

Die Zweitwohnungs-Initiative kam dank der Stimmen aus dem konservativen Lager durch. Sie wird damit zum Lehrstück für die Atomausstiegs-Initiative. Die Befürworter spielen gezielt heimatliche Töne und lancieren nun auch noch ein Bauern-Komitee.
Publiziert: 15.11.2016 um 20:57 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 22:38 Uhr
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Mahnwache Bei Wind und Wetter erinnern die Teilnehmer vorbeifahrende Autofahrer daran, dass auf der Wiese hinter ihnen einst das Tiefenlager gebaut werden könnte.
Foto: Stefan Bohrer
Ruedi Studer

2012 schaffte das Ökolager, was ihm schon lange nicht mehr gelungen war. Mit dem Ja zur Zweitwohnungs-Initiative kam ein grünes Anliegen beim Volk durch. Zuvor gelang dies letztmals mit der Gentechfrei-Initiative 2005 oder der Alpen-Initiative 1994.

Dieses politische Kunststück wollen nun auch die Grünen mit ihrer Atomausstiegs-Initiative schaffen. Die Zweitwohnungs-Initiative gilt dabei als Lehrstück. Gemäss Vox-Analyse kamen damals die für die Mehrheit notwendigen Zusatzstimmen aus dem konservativen Lager.

So stimmte fast die Hälfte der SVP-Anhänger Ja. Das bei weitem wichtigste Argument: die Bewahrung und der Schutz der Landschaft und der alpinen Bergregionen.

Bauern-Komitee für Initiative

Auf dieses wertkonservative Segment zielen nun auch die Atomgegner. Im Schlussspurt spielen sie den bäuerlichen Trumpf. Ein Landwirtschaftskomitee mit derzeit gegen 100 Bäuerinnen und Bauern wirbt für den gestaffelten Atomausstieg bis 2029.

Weinbauer und SVP-Grossratspräsident Xavier Challandes (NE) kämpft an vorderster Front für den Atomausstieg.
Foto: Keystone

So etwa der Neuenburger SVP-Grossratspräsident Xavier Challandes. «Bei einem Atomunfall wird ein grosser Teil unseres Landes radioaktiv verseucht. Auf den kontaminierten Äckern und Weiden könnten während Jahrhunderten keine Nahrungsmittel angebaut und keine Tiere mehr gehalten werden», sagt er zu BLICK. «Gerade als Landbesitzer und Weinbauer stimme ich der Initiative zu.» 

Die Bauern würden bei einem Atomunfall ihrer Produktions- und damit auch ihrer Lebensgrundlage beraubt, sagt Biobäuerin und Grünen-Nationalrätin Maya Graf (BL). «Deshalb werden sie der Initiative zu einem Ja verhelfen.»

Ein Ja «aus patriotischen Gefühlen»

Schon zuvor hatten die Grünen die konservative – ja gar nationalkonservative – Karte gespielt. «Der Heimat Sorge tragen», werben sie in Inseraten. Und bei BLICK on tour meinte Grünen-Nationalrat Bastien Girod (ZH) jüngst unverblümt: «Es ist keine Frage von links oder rechts. Man kann auch aus patriotischen Gefühlen zum Schutz unserer Heimat Ja stimmen.»

Grünen-Nationalrat Bastien Girod (ZH) weibelt gezielt um Stimmen aus dem konservativen Lager.
Foto: Keystone

SP-Nationalrat Eric Nussbaumer (BL) pochte gleichenorts auf die Energie-Unabhängigkeit: «Uran wächst bei uns nicht auf den Bäumen. Wir brauchen einheimische Energie wie Wasserkraft, Sonnenenergie oder Biogas, um vom Ausland unabhängiger zu werden. Das bedeutet echte Souveränität.»

Genau deshalb hat auch die Junge SVP des Kantons Neuenburg die Ja-Parole beschlossen.

Ob die konservativen Trümpfe stechen, zeigt sich am 27. November. Gemäss der ersten GfS-Umfrage sind die Chancen mit 57 Prozent Ja-Anteil intakt. Zum Vergleich: Die Zweitwohnungs-Initiative schaffte es am Schluss mit 50,6 Prozent Ja ins Ziel.

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