Am Sonntag entscheidet das Stimmvolk über die Atomausstiegs-Initiative der Grünen. Und die bisherigen Umfragen zeigen: Es wird knapp. Kein Wunder, werfen beide Seiten noch die letzten Reserven in die Waagschale – die Initianten gar mit einem tierischen Aufgebot.
So posiert Heinz Lienhard, Präsident des Schweizer Tierschutzes, mit einem herzigen Hund für ein Inserat des Ja-Komitees. Mit der Frage «Was geschieht bei einem schweren Atomunfall mit den Tieren?» zielt Lienhard direkt ins Herz unzähliger Tierfreunde.
Und er gibt auch gleich die Antwort: «Sie müssen schutzlos zurückbleiben, wenn die Menschen versuchen, sich in Sicherheit zu bringen. In Fukushima sind die Nutztiere und Heimtiere jämmerlich verendet.»
«Initiative ist besonders tierschutzrelevant»
Wenn es um Abstimmungen geht, hält sich der Schweizer Tierschutz normalerweise zurück. Letztmals gab der Tierschutz 2010 eine offizielle Abstimmungsparole zu einer eidgenössischen Vorlage heraus – zur hauseigenen Tieranwalt-Initiative. «Damit wir uns wie jetzt aktiv in eine Kampagne einschalten, muss das Thema besonders tierschutzrelevant sein», sagt Lienhard zu BLICK.
«Doch Fukushima ist ein Paradebeispiel dafür, wie stark die Tiere unter einem Atomunfall zu leiden haben.» Viele Tiere seien in ihren Ställen gefangen gewesen und elendiglich verhungert und verdurstet, so Lienhard.
Auch viele Haustiere hätten nicht mehr gerettet werden können. Manche verstrahlte Tiere seien verwildert und später von den Behörden getötet worden.
Behörden sehen keine Evakuierung vor
Tatsächlich sind die Behörden im Ernstfall für eine Evakuation von Tieren nicht vorbereitet. So hält der Kanton Bern in einem «Merkblatt für Nutztierhalter» für den Fall eines AKW-Störfalls fest: «Die Evakuierung von Nutztieren ist von behördlicher Seite nicht vorgesehen.»
Die Vorbereitungen dazu müssten die Tierhalter «in Eigenverantwortung» übernehmen». So enthält das Merkblatt allerlei Tipps, wie die Tiere allenfalls geschützt werden könnten.
Doch es macht auch klar: «Der Personenschutz hat immer Vorrang vor allen anderen Massnahmen.»
Tierschützer Lienhard sieht seine Befürchtungen bestätigt: «Bei einem Atomunfall werden die Tiere im Stich gelassen.»
Ritter: Viel geringeres Risiko
Dem widerspricht CVP-Nationalrat und Bauernverbandspräsident Markus Ritter: «Den Bauern sind ihre Tiere wichtig. Sie würden alles unternehmen, um auch ihre Tiere in Sicherheit zu bringen.» Ritter hält auf seinem Hof selber gegen 40 Milchkühe und Jungtiere.
Er ist sich bewusst, dass es im Falle einer Atomkatastrophe «eine sehr schwierige Situation für Mensch und Tier» wäre. Wenn eine Evakuierung aber möglich sei, so würden die Tiere in nicht-betroffenen Gebieten unterkommen. «Da spielt die Solidarität unter den Bauern. Auch wenn es im Winter wohl schwieriger wäre, genügend Plätze zu finden, als im Sommer.»
Ritter hält das Risiko eines Atomunfalls hierzulande aber für viel geringer als in Fukushima. Gerade das Risiko von Naturkatastrophen, die einen Atomunfall begünstigen könnten, sei deutlich kleiner. «Es gibt zwar immer ein Restrisiko, aber unsere Kernkraftwerke werden sehr streng überwacht», so Ritter.
Einig über das Ziel, aber nicht den Zeitplan
Über das Ziel ist er mit dem Tierschutz trotzdem einig: «Wir haben im Parlament die Energiestrategie 2050 unterstützt und damit auch den Atomausstieg.»
Allerdings will Ritter den AKW-Betreibern mehr Zeit einräumen. «Es bringt nichts, im kommenden Jahr drei AKW miteinander abzustellen und keine rasch umsetzbare Alternative für die Produktion von sauberem Strom zu haben, wie das mit der Initiative der Fall wäre.»