Asylstreit um Eritreer
Hilferuf aus den Kantonen

Der Luzerner Regierungsrat Guido Graf hält an seiner Kritik der Asylpolitik fest. Nun springen ihm weitere Kantone zur Seite.
Publiziert: 09.08.2015 um 18:34 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 22:34 Uhr
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Bundespräsidentin ist mit ihrer Asyl-Politik in der Kritik.
Foto: Keystone
Von Simon Marti

Am Dienstag kritisierte der Luzerner Gesundheitsdirektor Guido Graf (57, CVP) die Asylpolitik des Bundes scharf. In einem offenen Brief an Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (55, SP) warf der Regierungsrat die Frage auf, ob Asylsuchenden aus Eritrea in ihrer Heimat tatsächlich «Gewalt und Haft» drohe. Sommaruga reagierte prompt: «Es ist undenkbar, dass die Schweiz Menschen in einen Willkürstaat zurückschickt», so die SP-Bundesrätin.

Doch Graf gibt nicht klein bei: «Ich bin enttäuscht. Frau Sommaruga hätte den Brief genau lesen sollen.» Die Luzerner Regierung wolle den Eritreern «nicht den Schutz verwehren». Jedoch: «Wenn es so weitergeht, kollabiert das System – und wir können niemanden mehr aufnehmen.»

Luzern verlange eine Statusänderung. Die Eritreer dürften nur vorübergehend aufgenommen werden. Nur so könne der Familiennachzug erschwert werden. «Ich spüre doch, wie die Stimmung in der Bevölkerung kippt», sagt Graf. Jeden Monat müsse er 150 neue Plätze organisieren. «Noch nie hatte ich eine derartige Herausforderung zu meistern.»

Jetzt erhält Graf Support. Alt Nationalratspräsident Ruedi Lustenberger (65, LU) springt seinem Parteikollegen bei: «Bei den Eritreern müssen wir uns eine Grundsatzfrage stellen: Wir haben jetzt schon eine sehr grosse Diaspora aus dem Balkankrieg, mit der wir nicht nur gute Erfahrungen machen. Wollen wir in Zukunft auch noch eine eritreische Gemeinde dieser Grösse in der Schweiz?» Der Brief sei ein durchaus berechtigter Hilferuf, so Lustenberger. Auch aus anderen Kantonen erhält Graf Zustimmung. Die Glarner Regierungsrätin Marianne Lienhard (47, SVP) hat «vollstes Verständnis» für das Vorpreschen der Luzerner. «Die Entschädigung, die wir vom Bund erhalten, ist nicht ausreichend. Wir brauchen mehr Geld.»

Mühe bereite ihrem Kanton die Unterbringung und Betreuung der unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden. Vom Bund erhält Glarus pro Monat und zugewiesener Person 1500 Franken. Die Betreuung junger Flüchtlinge ist intensiv und koste um «einiges mehr», so Lienhard.

Selbst im reichen Zug ist die Lage angespannt. «Wir haben Engpässe bei der Unterbringung von Flüchtlingen. Schon seit Jahren», sagt Sicherheitsdirektor Beat Villiger (58, CVP). «Wir leben von der Hand in den Mund.» Für ihn sei weiterhin unklar, ob die Menschen aus Eritrea hier bleiben dürfen oder nicht.

Peter Gomm (56, SP) ist Regierungsrat im Kanton Solothurn und Präsident der Konferenz der Sozialdirektoren (SODK). Die Lage sei zwar anspruchsvoll, sagt er. Gemäss Prognosen sei bis Ende Jahr mit 30'000 Asylgesuchen zu rechnen. «Die Kantone haben schon wesentlich höhere Gesuchszahlen bewältigt», sagt Gomm. Zugleich räumt er ein, dass die Zuweisungen an die Kantone «ab Mai kurzzeitig stark angestiegen sind und auch die Schutzquote höher ist als in den letzten Jahren». Das stelle bei der Dauer der Unterbringung und auch bei der Integration höhere Anforderungen. «Insgesamt wird mehr Platz benötigt. Das hat man jüngst gesehen, als im Aargau Armeezelte als Unterkunft herhalten mussten.»

Die Stände haben schon bald Gelegenheit, ihre Sorgen und Nöte Simonetta Sommaruga persönlich zu schildern: Am 24. August trifft sich die Bundespräsidentin mit den zuständigen Regierungsräten.

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