«Das hat mit der Zuwanderung nichts zu tun»
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Ältere Arbeitslose:«Das hat mit der Zuwanderung nichts zu tun»

Arbeitgeber-Präsident Valentin Vogt zum Jobverlust der Ü50-Jährigen
«Das hat mit der Zuwanderung nichts zu tun»

Wie lassen sich die Löcher in der zweiten Säule stopfen? Valentin Vogt, Präsident der Arbeitgeber, verteidigt das Modell der Sozialpartner. Und kritisiert die SVP.
Publiziert: 29.02.2020 um 23:39 Uhr
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Aktualisiert: 02.03.2020 um 12:25 Uhr
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Die berufliche Vorsorge steht unter Druck.
Foto: Keystone
Interview: Camilla Alabor und Simon Marti

Herr Vogt, fühlen Sie sich einsam?
Valentin Vogt: Nein, eigentlich nicht. Ich bin ein sehr sozialer Mensch.

Dennoch stehen Sie als Vertreter der Arbeitgeber derzeit recht alleine da: Keine der bürgerlichen Parteien unterstützt Ihren Vorschlag zur Pensionskassen-Reform. Was ist schiefgelaufen?
Wir sind keine politische Partei. Der Bundesrat hat uns beauftragt, gemeinsam mit den anderen Sozialpartnern einen Vorschlag für die Reform der zweiten Säule zu erarbeiten – das haben wir getan. Das war kein einfacher Prozess. Aber ich habe Verständnis dafür, dass die Parteien eigene Vorschläge einbringen.

Das ist noch nett formuliert. FDP und CVP kritisieren einen zentralen Punkt Ihres Vorschlags: die Umverteilung der ­Gelder von Erwerbstätigen zu den Pensionierten.
Diese Umverteilung findet aufgrund des zu hohen Umwandlungssatzes ja schon heute statt! Unser Modell halbiert diese Umverteilung von sieben auf 3,5 Milliarden Franken. Dazu kommt eine zusätzliche Milliarde, die von den Besserverdienenden zu den weniger gut Verdienenden fliesst. Und all dies dank zusätzlichen 0,5 Lohnprozent. Ich finde: Das ist zur Sicherung des zweitwichtigsten Sozialwerks für die nächsten 15 Jahre mehr als verhältnismässig.

Dem Gewerbeverband ist Ihre Lösung zu teuer.
Mir fällt es etwas schwer, die Haltung des Gewerbeverbands nachzuvollziehen. Dessen Vertreter waren dabei, als wir mit den Gewerkschaften die Rahmenbedingungen für die Verhandlungen festlegten. Die Abmachung lautete: keine nominalen Rentensenkungen. Dann, um fünf vor zwölf, ist der Gewerbeverband plötzlich abgesprungen.

Um kurz danach ein ­Modell zu präsentieren, das wesentlich weniger kosten würde.
Ein Modell, das in der aktuellen Diskussion niemand unterstützt – noch nicht einmal das grösste Mitglied des Verbands, der Baumeisterverband.

Letzterer hat inzwischen eine eigene Lösung ­präsentiert. Dieses Durcheinander an Vorschlägen zeigt doch: Nicht einmal die Wirtschaft steht geschlossen hinter Ihrem Kompromiss.
Es gibt auch in der zweiten Säule keine Wunder. Wenn man die Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6 Prozent voll kompensieren will, kostet das etwa drei Milliarden Franken. Die übrigen Lösungen, die derzeit auf dem Tisch liegen, kompensieren die Renteneinbussen nicht voll. Die haben an der Urne keine grosse Chance.

Warum nicht?
Weil die Bürgerlichen gegen den vereinten Widerstand der Linken in den letzten zwanzig Jahren keine einzige wichtige sozialpolitische Vorlage gewonnen haben. Nur scheinen sie das inzwischen vergessen zu haben.

­­Dann soll das Parlament Ihren Kompromiss doch einfach übernehmen.
Ich stelle fest, dass sich der Vorschlag der CVP in grossen Teilen mit unserem Modell deckt. Wo es Unterschiede gibt, ist bei der Finanzierung. Dort setzt die CVP auf, sagen wir, etwas hilflose ­Ansätze, wie das Anzapfen der ausserordentlichen Ausschüttungen der Nationalbank. Am Ende ist die Finanzierung aber lediglich Mittel zum Zweck – wir sind für andere Modelle offen, welche die gesetzten Rahmenbedingungen erfüllen und mehrheitsfähig sind.

Themenwechsel: Bei der Überbrückungsleistung für ältere Arbeitnehmer sind es die Arbeitgeber, die den Kompromiss von Bundesrat und Gewerkschaften nicht mittragen. Stattdessen fordern Sie, dass die Leistungen erst ab 62 bezogen werden dürfen. Warum?
Wir unterstützen das Konzept der Überbrückungsleistung, wollen aber Fehl-anreize verhindern. Ein Kompromiss könnte sein, dass man die Grenze bei 60 Jahren ohne zusätzliche Lockerungen nach unten ansetzt und die Leistungen plafoniert.

Zweite Säule: Darum geht es

Die berufliche Vorsorge kommt zunehmend unter Druck: Angesichts der Tatsache, dass mehr Menschen länger leben, fallen die Renten in der zweiten Säule rein rechnerisch zu hoch aus. Das führt dazu, dass die Erwerbstätigen die Pensionierten subventionieren – obwohl dies dem Prinzip widerspricht, dass in der beruflichen Vorsorge jeder für sich spart. Im vergangenen Sommer haben die Sozialpartner – Arbeitgeber sowie Gewerkschaften – deshalb einen gemeinsamen Vorschlag für eine Reform lanciert.

Die berufliche Vorsorge kommt zunehmend unter Druck: Angesichts der Tatsache, dass mehr Menschen länger leben, fallen die Renten in der zweiten Säule rein rechnerisch zu hoch aus. Das führt dazu, dass die Erwerbstätigen die Pensionierten subventionieren – obwohl dies dem Prinzip widerspricht, dass in der beruflichen Vorsorge jeder für sich spart. Im vergangenen Sommer haben die Sozialpartner – Arbeitgeber sowie Gewerkschaften – deshalb einen gemeinsamen Vorschlag für eine Reform lanciert.

Aus den Reihen des Freisinns gibt es Kritik daran, dass der Bundesrat – ­zumindest indirekt – die Überbrückungsleistung mit dem Kampf gegen die Kündigungs-Initiative der SVP verknüpft. Teilen Sie diese?
Nein. Die SVP schiesst auch deshalb gegen die Überbrückungsleistung, weil sie damit ihr Hauptargument gegen die Personenfreizügigkeit verloren hat. Dieses lautet bekanntermassen, dass die Einwanderung zu einer höheren Arbeitslosigkeit von älteren Personen führt. Obwohl das eine mit dem anderen in Tat und Wahrheit nichts zu tun hat.

Nein?
Nein. Ich unterstütze selber ältere Arbeitslose bei der Stellensuche. Deren Probleme liegen in den meisten Fällen anderswo: Oft finden sie länger keinen Job, weil sie spezielle Lebensläufe haben oder sich länger nicht für eine Stelle bewerben mussten. Andere haben das Pech, dass ihre Qualifikationen nicht mehr nachgefragt werden. Mit der Zuwanderung hat das nichts zu tun.

Sollte die Kündigungs- Initiative abgelehnt werden, rückt erneut das Rahmenabkommen ins Zentrum der Europa-Debatte. Glauben Sie, die EU wird sich hier bewegen?
Meines Wissens wartet Brüssel auf einen materiellen Input der Schweiz zu ­jenen drei Punkten, die der Bundesrat erwähnt hatte: Lohnschutz, Unionsbürgerrichtlinie und staatliche Beihilfen. Wie die EU auf die Vorschläge der Schweiz reagieren wird, kann ich nicht abschätzen. Ich weiss nur: Wenn wir keine Vorschläge machen, kann die EU auch nicht darauf reagieren.

Bislang haben es die ­Sozialpartner aber nicht geschafft, sich beim ­Lohnschutz zu einigen.
Die Gespräche sind im Gange, und ich hoffe, dass wir dem Bundesrat eine ­Lösung mit auf den Weg ­geben können. Ich nehme aber an, dass sich der Bundesrat – unabhängig vom Ausgang der Gespräche der Sozialpartner – Gedanken zum Lohnschutz macht.

Und was passiert, wenn sich die Schweiz und die EU nicht einig werden?
Kurzfristig wäre das für die Schweiz vermutlich nicht dramatisch. Mittelfristig aber bedeutet dies das Ende des bilateralen Weges: Während sich die EU in eine Richtung entwickelt, bleiben wir stehen und die Lücke wird immer grösser. Damit setzen wir letztlich unseren Wohlstand aufs Spiel. Dieser war noch nie so hoch wie heute, die Ungleichheit der Verteilung des Wohlstands nimmt ab, und wir haben nie so wenige Stunden pro Woche dafür gearbeitet. Es lohnt sich, das zu verteidigen.

Persönlich: Valentin Vogt

Valentin Vogt (59) ist Präsident des Schwei­zerischen Arbeitgeber­verbandes und Verwaltungsratspräsident der Burckhardt Compres­sion Holding AG in ­Winterthur ZH.

Thomas Meier

Valentin Vogt (59) ist Präsident des Schwei­zerischen Arbeitgeber­verbandes und Verwaltungsratspräsident der Burckhardt Compres­sion Holding AG in ­Winterthur ZH.

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