Anwohner mussten wegen giftiger Gase ins Spital
Cassis lobte Glencore-Mine zu Unrecht

Bundesrat Cassis hatte der Glencore-Mine in Sambia einen Persilschein ausgestellt. BLICK-Recherchen zeigen nun: Wenige Wochen vor seinem Besuch und kurz danach traten giftige Gase aus. Die Befürworter der Konzern-Initiative werfen dem FDP-Mann Abstimmungspropaganda vor.
Publiziert: 12.03.2019 um 07:20 Uhr
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Mitte Januar kam es zu besonders heftigen Schwefeldioxid-Emissionen bei der Glencore-Kupfermine in der sambischen Stadt Mufulira.
Foto: Zambian Watchdog
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Lea HartmannRedaktorin Politik

Geht es nach Aussenminister Ignazio Cassis (57), ist Glencore ein Vorzeigebetrieb. Diesen Eindruck vom weltweit grössten Rohstoffhandelsunternehmen mit Sitz in der Schweiz vermittelte der FDP-Bundesrat, als er Anfang Januar auf seiner Afrika-Reise eine Glencore-Mine besuchte. Investitionen in Millionenhöhe in Aus- und Weiterbildung, Milliarden für die Modernisierung der Anlagen: Die Firma tue in der Kupfermine Mopani alles, um die skandalträchtige Vergangenheit weit hinter sich zu lassen. So die Verlautbarung, die das Aussendepartement (EDA) damals verschickte. Nur, offenbar ist das nicht genug.

Mindestens sieben Personen mussten ins Spital

Im Gegensatz zu dem, was Cassis' Departement zur Mine verbreitete, halten die Skandale an. BLICK-Recherchen zeigen: Nur wenige Wochen vor dem bundesrätlichen Besuch mussten mehrere Personen wegen des Ausstosses von giftigem Schwefeldioxid ins Spital. Eine Anwohnerin erzählte im sambischen Fernsehen, sie und eine weitere Person seien aufgrund der Emissionen ohnmächtig geworden. Neben ihnen hatten sich mindestens fünf weitere Personen am 10. Dezember in ärztliche Behandlung begeben müssen. Wenige Tage nach dem Besuch Cassis' in Sambia ist es bei der Glencore-Mine zudem zu einer besonders heftigen Verbreitung des giftigen Gases gekommen.

Genau das bemängelt Chris Mweemba, der für die sambische Organisation Advocacy for Human Development tätig ist. Laut ihm kommt es heute zwar weniger häufig zu Gasaustritten. «Aber die Emissionen sind stärker geworden», meint er im Gespräch mit BLICK. Die Anwohner müssten die Türen schliessen, die Blechdächer der Häuser rosteten wegen der giftigen Dämpfe und gingen kaputt. Christopher Nkhata, Vertreter einer lokalen NGO, appelliert an die Schweiz: «Wir fordern die Schweizer Regierung auf, ein Untersuchungsteam zu uns zu schicken.»

Glencore bestreitet die Hospitalisierungen auf Nachfrage nicht. Seit Januar habe man aber keine Beschwerden wegen Emissionen mehr erhalten, heisst es in einer Stellungnahme. Aber: Im Februar habe Mopani wegen «einiger Leistungsprobleme» beschlossen, ein Verhüttungswerk herunterzufahren. So solle erreicht werden, dass «weiterhin rund 95 Prozent» der Schwefeldioxid-Emissionen zurückgehalten werden. Vom 10. Februar bis 4. März musste das Verhüttungswerk ganz geschlossen werden.

Bei WHO-Grenzwerten geschludert

Es stimmt also nicht, dass die Glencore-Mine heute die Grenzwerte der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stets einhält, wie das EDA die Öffentlichkeit im Januar mittels Communiqué glauben machen wollte. Offenbar war es dem Bund bei dieser Aussage aber selbst nicht ganz wohl: Zehn Tage später strich er sie aus der Medienmitteilung. Dass das EDA der Mine einen Persilschein ausstellte, erstaunt umso mehr, als dass nicht einmal Glencore selbst es wagt, eine solche Aussage zu machen.

Das Unternehmen relativiert: Wenn es zu einer Abschaltung oder zu einem Stromausfall komme, würden die Werte «zeitweise kurzfristig» überschritten, so der Rohstoffkonzern. Aus der Stellungnahme Glencores wird zudem klar, dass es auch bei einer Überlastung der Anlage zur Überschreitung der Grenzwerte kommen kann. Deshalb überwachen «Teams von Mopani» die Emissionswerte eng und «reduzieren entsprechend die Produktion im Verhüttungswerk falls nötig». 

Glencore verweist dafür auf Echtzeit-Messstationen. Allerdings ist Schwefeldioxid bereits gesundheitsschädigend, wenn man dem giftigen Gas nur kurze Zeit ausgesetzt ist. Zudem macht Glencore die Messdaten nicht öffentlich – nicht einmal Bundesrat Cassis hatte Einblick. Als früherer Arzt hätte Cassis der Gesundheitsaspekt durchaus interessieren können.

Zudem gab es weitere Unstimmigkeiten in der EDA-Kommunikation: Cassis erweckte den Anschein, er habe in Sambia auch lokale NGOs getroffen. Später kam heraus, dass das nicht der Fall war. 

Kein ausgewogenes Briefing

Heute ist klar: Der Glencore-Besuch von Cassis ist ein Kommunikationsdebakel für das EDA. Und das war er schon, bevor sich der Tessiner nur schon ins Flugzeug Richtung Sambia setzte. Die Zeitung «Il caffè» berichtete über das Briefing, das Cassis im Vorfeld der Reise über die Glencore-Mine erhielt. Die Unterlagen dazu liegen auch BLICK vor. Sie zeigen: Cassis liess sich ziemlich einseitig und oberflächlich über die Mine informieren. Ein EDA-Mitarbeiter hatte kurz bei Glencore angefragt, ob man zur Afrika-Tätigkeit des Konzerns Infos bekommen könne: «Wäre es möglich, uns einen Einseiter zu liefern, der eure anderen Geschäfte in Afrika beschreibt, mit einigen Daten (Zahlen, Angestellte)?» Die Info solle wirklich kurz sein, denn sonst lese Cassis sie nicht, hiess es.

Glencore liefert die Info-Seite. In nur zwei Sätzen geht der Konzern dabei auf die Situation rund um die giftigen Emissionen der Mine ein. Das ist aus unternehmerischer Sicht legitim. Bei einem Unternehmen, das derart in der Kritik steht wie Glencore, wäre es aber im Eigeninteresse des EDA und von öffentlichem Interesse gewesen, dieser Firmenperspektive eine kritische Stimme gegenüberzustellen.

Die Kritiker waren dem EDA egal

Doch darauf verwendete das EDA keine Mühe. Dem Dossier wurden lediglich einige Medienberichte zu Glencores Afrika-Aktivitäten angefügt. In einem davon geht es gar nicht um Sambia, beim anderen handelt es sich um einen «Weltwoche»-Artikel mit der Botschaft: «Alles halb so schlimm». Der dritte – immerhin – ist eine von der NGO Public Eye verfasste Replik auf diesen Artikel. Die Recherchen der «Rundschau» beispielsweise, die in der Schweiz immer wieder über die Situation bei Mopani berichtete, finden sich im Dossier für Cassis nicht.

Damit haben die EDA-Mitarbeiter ihrem freisinnigen Departementsvorsteher mitten in der parlamentarischen Debatte um die Konzernverantwortungs-Initiative keinen Gefallen getan. Es sieht so aus, als interessiere er sich nicht für die Anliegen der Menschen, sondern nur für jene der Wirtschaft.

Firmen sollen auch für die Töchter im Ausland verantwortlich sein

Die Initiative will Konzerne mit Sitz in der Schweiz auch für Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden im Ausland haftbar machen. Nur wenn ein Unternehmen beweisen kann, dass es die Sorgfaltspflicht erfüllt hat, soll es für Verletzungen einer Tochterfirma nicht verantwortlich gemacht werden können.

Lanciert hat die Initiative eine Allianz aus Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Eines der Unternehmen, wegen der die Initianten zur Volksinitiative griffen, ist just der Rohstoffkonzern Glencore. Wegen giftiger Abgase einer Kupfermine in Sambia, an der Glencore einen Anteil von 73 Prozent hält, steht der Konzern seit Jahren in der Kritik.

Für die Initianten ist klar, dass Cassis mit dem Persilschein, den er Glencore ausstellte, nicht nur Firmen-PR für den Rohstoffhändler gemacht hat, sondern auch Stimmung gegen die Konzernverantwortungs-Initiative. Denn – so seine Botschaft – schliesslich ist ja alles gut bei Glencore. Es entsteht der Eindruck, als ob es das Volksbegehren ja gar nicht brauche.

Die NGO Public Eye ist empört – besonders auch darum, weil der Besuch von Cassis zu einem heiklen Zeitpunkt kam. Für Public-Eye-Sprecher Oliver Classen ist klar, dass der FDP-Bundesrat eine politische Agenda verfolgt hat: «Hat unser Aussenminister in Sambia gar schon die bundesrätliche Abstimmungskampagne eingeläutet?», fragt er. Für die Initianten hat Cassis Abstimmungspropaganda betrieben, indem er – besonders stossend – den falschen Eindruck erweckte, dass nun alles in Ordnung sei bei der Glencore-Mine.

Das EDA redet den Minen-Besuch heute klein

Das EDA erklärt dazu, die Afrika-Reise von Cassis habe sich während fünf Tagen auf drei Länder erstreckt. «Der Besuch bei Glencore dauerte zwei Stunden.» Man arbeite zudem eng mit NGOs zusammen und pflege regelmässige Kontakte.

Der Ständerat debattiert heute über das Schicksal der Konzernverantwortungs-Initiative: Wird der Initiative ein Gegenvorschlag gegenübergestellt? Scheitert diese Möglichkeit im Stöckli? Oder wird der Gegenvorschlag so stark aufgeweicht, dass die Initianten darauf beharren, die Initiative an die Urne zu bringen?

Es wird sich weisen, ob das Volk die Firmen dereinst in die Verantwortung nimmt. Die Sympathien für die Anliegen des Volksbegehrens sind in der Bevölkerung jedenfalls gross. Und auch die Wirtschaft ist zum Teil offen dafür, dass die Unternehmen verantwortlich sein sollen für die Vorgänge bei ausländischen Tochterunternehmen. So spricht sich laut den Zeitungen aus dem Hause Tamedia beispielsweise die IG Detailhandel, zu der sich Migros, Coop, Denner und Manor zusammengeschlossen haben, für den Gegenvorschlag zur Initiative aus.

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