Die Einführung des neuen 5G-Mobilfunkstandards ist heiss umstritten. Vor einem Monat hatten mehrere Tausend Menschen in Bern dagegen protestiert. 5G sei «ein Verbrechen gegen Menschenrechte», hiess es.
Jetzt machen die Gegner mit einem nationalen Volksbegehren Ernst: Seit heute sammeln sie Unterschriften für ihre Volksinitiative «Für einen gesundheitsverträglichen und stromsparenden Mobilfunk».
Die wichtigsten Punkte darin:
- Die Anlagegrenzwerte für nichtionisierende Strahlung dürfen nicht erhöht werden. Dieses Verbot soll auch nicht durch neue Messverfahren umgangen werden können.
- Neu soll die Versorgung mit Mobilfunk und Internet in draussen und drinnen aufgeteilt werden. Die Leistung von Mobilfunksendern und drahtlosen lokalen Netzwerken müsste bei einer Annahme so herabgesetzt werden, dass die Strahlung die Gebäudehülle nicht durchdringen kann. Im Gebäudeinneren sollen Daten funkfrei durch Glasfaser- oder Koaxialkabel übertragen werden. Sprich: Das Handy würde in der Regel nur noch draussen genutzt, drinnen das Festnetz.
- Nicht sichtbare Sendestationen sollen markiert und deren Daten veröffentlicht werden.
- Wenn Fernmeldefirmen neue Anlagen aufstellen oder die Leistung bestehender Anlagen erhöhen wollen, müssten sie die schriftliche Einwilligung der Anwohner in einem Umkreis von 400 Metern einholen.
- Weiter verlangt die Initiative Sitzplätze in öffentlichen Verkehrsmitteln, an welchen die Verwendung elektronischer Geräte untersagt ist.
- In öffentlichen Gebäuden müssten Räume eingerichtet werden, die frei von elektromagnetischer Strahlung sind.
Telekom-Branche wehrt sich gegen Initiative
Der Forderungskatalog jagt den 5G-Freunden einen kalten Schauer über den Rücken. «Die Initiative ist absurd», sagt Peter Grütter, Präsident des Schweizerischen Verbands der Telekommunikation (Asut), zu BLICK. «Das würde heissen, die Schweizer Mobilfunknetze und über 11 Millionen Mobilfunkanschlüsse praktisch nicht mehr zu nutzen.»
Dabei zähle die hiesige Kommunikationsinfrastruktur derzeit zu den besten der Welt. «Sie ist ein wichtiger Standortfaktor und trägt massgeblich zur Lebensqualität bei», so Grütter. Sein Verband wolle, dass dies so bleibe. Deshalb setze sich dieser dafür ein, dass die Grenzwerte gestützt auf das Vorsorgeprinzip und die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation dem Stand der Technik angepasst würden.
Ein Ja zur Initiative, sofern sie dereinst zustande kommt, wäre für die Branche eine Katastrophe: «Die Initiative würde die Schweiz in die digitale Steinzeit zurückversetzen», warnt Grütter. «Sie läuft völlig gegen die technologische Entwicklung.»
Diese gehe weltweit in Richtung Integration und Verschmelzung von Fix und Mobile. Die von der Initiative angepeilte Trennung nach Indoor und Outdoor «würde nicht nur die Branche im Mark treffen, sondern die Schweiz technologisch isolieren und vom Rest der Welt abkoppeln», so Grütter.
Initianten wollen «Zwangsbestrahlung» beenden
Der 5G-Mobilfunkstandard macht das mobile Surfen im Internet etwa 100 Mal schneller als 4G. Zudem werden die Antwortzeiten viel kürzer, was eine Voraussetzung für autonomes Fahren mit vernetzten Autos und andere Technologien ist. Andererseits dringen die hohen Frequenzen weniger gut ins Gebäudeinnere, weshalb tendenziell höhere Sendeleistungen oder ein dichteres Netz nötig sind.
Die Initianten wollen mit ihrem Begehren die «Zwangsbestrahlung der Bevölkerung beenden», wie Mitinitiantin Ursula Niggli sagt. Die Sammelfrist läuft bis am 15. April 2021.