Ein paar Wochen vor seinem Tod haben wir Helmut und Gret im Jura besucht. Mit im Gepäck seinen Lieblingskuchen «Russenzopf» der Confiserie Gilgen. Damals war schon klar, dass seine Krankheit ihm nur noch wenig Zeit lässt. Er trug es mit Würde und mit Fassung, im Wissen, dass auch das vollste Leben irgendwann zu Ende geht. Wir redeten wie oft über die Zukunft der Sozialdemokratischen Partei. Er war sich sicher, dass es jetzt Zeit sei, dass die Enkel-Generation übernehme. Doch können die auch integrieren? Sein Kommentar: «Wenn du als Präsident nicht integrieren kannst, bist du schnell wieder weg vom Fenster. Eine linke Volkspartei kann nur mit Flügeln hoch fliegen.» Seine grosse Liebe war die Sozialdemokratie mit der Rose als Logo, seine lebenslange Leidenschaft die Politik. Nun hat er sich «vom Dienst zurückgezogen», wie er zuletzt schrieb.
Live gesehen habe ich Helmut Hubacher zum ersten Mal 1975 auf dem besetzten Gelände von Kaiseraugst, das ein neuer AKW-Standort werden sollte. Damals hatte die SPS ein noch ungetrübtes Verhältnis zur Atomkraft. Er hat die Partei Richtung Atomausstieg und Ökologie geführt.
Kennengelernt haben wir uns 1980. Da war Helmut Hubacher schon langjähriger Nationalrat, Sekretär des Basler Gewerkschaftsbundes und Präsident der SP Schweiz. Er war schon damals eine politische Ausnahmeerscheinung – und 1.-Mai-Redner in Basel. Weil wieder keine Frau als Rednerin geladen war, habe ich mit Kolleginnen das Podium gestürmt, und es kam zu einem Handgemenge: Unsere erste direkte politische Begegnung verlief etwas ruppig. Aber Helmut war schon damals Helmut: Wir sprachen uns aus. Im folgenden Jahr konnte erstmals eine Vertreterin der feministischen OFRA am 1. Mai reden. Er hat die Partei für feministische Anliegen geöffnet. Später hat er selbst zugunsten einer Sozialdemokratin auf das Nationalratspräsidium verzichtet.
Für die Bürgerlichen war «der Hubacher», der scharfe Debattierer, damals ein rotes Tuch. Heute können sich die Jüngeren nicht mehr vorstellen, wie gnadenlos die politische Auseinandersetzung während des Kalten Krieges war. Dagegen sind die heutigen Debatten Nasenwasser.
Als ich später der SP beitrat, war Helmut längst ein guter Freund. Innerhalb der Partei wurde er mein wichtigster Förderer. Und was ich in den 1980er-Jahren von aussen beobachtet hatte, bestätigte sich von innen: Helmut als Architekt der modernen SP hatte eine überragende Bedeutung für die Partei, bis zuletzt. Er war hervorragend informiert, mit vielen Leuten in Kontakt, er besuchte unzählige Sektionen bis ins hohe Alter und er liebte das klare Wort, auch in seinen Kolumnen. Helmut Hubacher war ein Jahrhundertpolitiker, hat sich aber die Freiheit genommen, bescheiden zu bleiben.
Neben vielen grossen Männern steht eine starke Frau. Bei Helmut ist es Gret. An ihrem runden Tisch im Restaurant Maxim trafen sich die jungen Wilden der Basler Linken. Sie sorgte dafür, dass wir über alle Differenzen hinweg im Gespräch blieben. Damit legte sie den Boden für die rot-grüne Mehrheit, die Basel unterdessen seit Jahren prägt. Liebe Gret, wir trauern mit dir.
* Anita Fetz (63) war in den 1980er-Jahren Nationalrätin der Progressiven Organisationen der Schweiz. 1995 trat sie der SP bei und war von 1999 bis 2003 Basler Nationalrätin, von 2003 bis 2019 Ständerätin.