In New York tummeln sich zurzeit politische Schwergewichte. Mittendrin ist auch die Schweiz. Der Bundesrat wird an der Uno-Vollversammlung durch Alain Berset, Doris Leuthard und Iganzio Cassis vertreten.
Aussenminister Cassis hat am Dienstag seinen russischen Amtskollegen Sergej Lawrow zu einem bilateralen Gespräch getroffen. Die Stimmung zwischen den beiden Ländern ist auf dem Tiefpunkt. Die Schweiz wirft den Russen Spionage vor. Jeder vierte russische Diplomat in der Schweiz soll ein Spion sein. Bern entzog mehreren Moskauer Diplomaten vergangene Woche als Konsequenz die Akkreditierung, der Kreml reagierte mit derselben Massnahme.
Cassis: Begegnung mit Lawrow war «angespannt»
Das Treffen zwischen Cassis und Lawrow war denn auch kein harmonisches Beisammensein. Der Tessiner bezeichnete die Begegnung im Anschluss als «angespannt». «Wir haben schliesslich nicht über das schöne Wetter gesprochen, sondern über die verschiedenen Informationen, die in der Schweiz zirkulierten über eventuelle nachrichtendienstliche Tätigkeiten Russlands, die jenseits der Norm waren», sagte Cassis.
Ob sich Lawrow für den Spionagevorfall entschuldigt habe, wollte Cassis nicht sagen. «Bei solchen Gesprächen geht es nie darum, jemanden anzuklagen oder sich zu entschuldigen. Man tauscht Eindrücke und Informationen aus, die man hat», sagte der Aussenminister, der zum ersten Mal in dieser Funktion in New York ist. «Man schaut, wie das Gegenüber auf diese Informationen reagiert und hört gut zu, was dieses sagt.»
Lawrow schlägt Cassis-Einladung vorerst aus
Was die betrübte Stimmung zwischen den beiden Ländern untermauert: Cassis hat seinen Amtskollegen während des Treffens nach Bern eingeladen. Doch dieser winkte ab. Cassis erklärte anschliessend, dass Lawrow abwarten wolle, bis sich das Klima wieder beruhigt habe.
Trotz der ausgeschlagenen Einladung zog Cassis ein positives Fazit: «Es war gut, dass wir Klartext gesprochen und deutlich gesagt haben, welche Erwartungen auf beiden Seiten bestehen.» Ziel sei es, wieder eine ruhige, entspannte Beziehung zwischen der Schweiz und Russland finden.
Berset kritisiert Trump, ohne ihn beim Namen zu nennen
Neben dem bilateralen Treffen zwischen Cassis und Lawrow war auch Bundesrpäsident Alain Berset im Rampenlicht. In seiner Rede vor der Uno-Generalversammlung am Dienstagabend forderte er bessere zwischenstaatliche Zusammenarbeit. Gegenwärtig gebe es Tendenzen, Lösungen für Probleme in einem Rückzug auf das Nationale zu suchen.
Zudem sei eine Politik des Handelsprotektionismus und des Egoismus im Trend. «Abschottung, Protektionismus, Drohungen und Gewalt waren aber noch nie eine taugliche Antwort auf die Missstände und Ungleichheiten in der Welt, in der wir leben», sagte Berset.
Ohne Namen zu nennen sagte Berset an die Adresse von US-Präsident Trump, eine nationalistische Politik führe zu weniger Handel und folglich zu Wohlstandseinbussen. Misstrauen und Abschottung verlangsamten den Austausch von Ideen und Innovationen.
«Unsere Welt wird geistig und kulturell ärmer werden. Wir werden weniger Ideen zur Verfügung haben, um künftigen Herausforderungen zu begegnen. Wir werden nicht mehr von den positiven Erfahrungen anderer lernen können. Und wir werden alleine nach Lösungen für Herausforderungen suchen müssen, die nicht alleine gelöst werden können.»
Berset: «Die Uno ist unentbehrlich»
Die gegenwärtige Krise des Multilateralismus sei eine Warnung, dass die Regierungen alles tun müssten, damit nicht eine Welt des «Jeder-gegen-jeden» entstehe, sagte Berset. «Die Uno ist unentbehrlich, und sie ist ideal positioniert, um die heutigen Probleme anzugehen. Sie kann ihre Rolle aber nur wahrnehmen, wenn sie stark ist», sagte Berset.
Derzeit erlebe man die Neugestaltung der Weltordnung, das Auftreten neuer Akteure und das Entstehen einer neuen Mittelschicht. Gemäss der Weltbank ist die Zahl der von extremer Armut betroffenen Menschen zwischen 1990 und 2015, also innerhalb einer Generation, von zwei Milliarden auf 700 Millionen zurückgegangen.
Diese Veränderungen dürften aber nicht mit einer Erosion der auf dem Recht basierenden internationalen Ordnung einhergehen. «Es ist paradox, dass diese Ordnung ausgerechnet jetzt bedroht ist, da wir dabei sind, die Hauptachsen der künftigen globalen Zusammenarbeit festzulegen», sagte der Bundespräsident.
Er forderte die Staatengemeinschaft zudem auf, mehr Anstrengungen für Frieden in Syrien und in Jemen zu unternehmen. Um am Verhandlungstisch nach Lösungen zu suchen und die humanitäre Krise zu beenden, stelle die Schweiz Genf als Ort für Friedensgespräche zur Verfügung. (SDA/nim)