Das Rennen schien gelaufen. Und das, bevor der Abstimmungskampf zur Konzernverantwortungs-Inititative (KVI) überhaupt begonnen hat. Denn derzeit könnten sich gleich satte 78 Prozent der Befragten vorstellen, das Volksbegehren anzunehmen. Das zeigte vor wenigen Tagen eine Umfrage des Link-Instituts im Auftrag des Initiativkomitees.
Das Umfrageresultat fiel so deutlich aus, dass die Gegner aus den bürgerlichen Reihen einpacken können, so schien es. Ihnen geht die Initiative viel zu weit, weil sie Schweizer Konzerne stärker in die Pflicht nehmen will. So sieht sie eine Haftung für die Verletzung von Menschenrechten oder Umweltstandards auch im Ausland vor. Auch der Bundesrat lehnt die Initiative ab.
Andere Umfrage – andere Zahlen
Doch: «Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast», heisst es im Volksmund. Für Umfragen vor Abstimmungen scheint ähnliches zu gelten. Denn der Industrieverband Swissmem hat eine eigene Umfrage zur KVI in Auftrag gegeben, die BLICK exklusiv vorliegt.
Der Zeitpunkt der beiden Umfragen ist kein Zufall. In der kommende Woche startenden Sommersession wird das Parlament die Initiative abschliessend beraten und so die Weichen stellen.
Swissmem kommt zu ganz anderen Resultaten. Gemäss ihrer Umfrage würden derzeit 46 Prozent die Initiative annehmen. Die absolute Mehrheit würde damit verfehlt. 24 Prozent würden die Initiative ablehnen, 30 Prozent der Befragten seien noch unentschieden.
«Ausgangslage ist keineswegs so eindeutig»
«Das Resultat der Umfrage zeigt, dass die Ausgangslage für die Volksabstimmung keineswegs so eindeutig ist, wie von den Initianten angedeutet», gibt sich Swissmem überzeugt. Das dürfte auch im Hinblick auf die Debatten im Parlament Einfluss haben.
Das Erstaunliche: Beide Umfragen wurden vom gleichen Institut durchgeführt, fast im gleichen Zeitraum und bei ähnlich vielen Befragten. Warum kommen sie dennoch zu solch unterschiedlichen Resultaten? Für Swissmem-Direktor Stefan Brupbacher (52) ist der Fall klar: «Das zeigt, wie wichtig die Fragestellung ist.»
Initianten bleiben optimistisch
Doch auch hier kommen die Initianten zu einer ganz anderen Interpretation. Auch die Umfrage von Swissmem zeige, dass es Grund für Optimismus gebe, sagt der Tessiner alt Ständerat Dick Marty (75, FDP): «Nur ein Viertel der Befragten ist gegen mehr Konzernverantwortung.»
Das erstaune nicht. Denn die Initiative fordere eine Selbstverständlichkeit. «Wenn Konzerne das Trinkwasser vergiften oder ganze Landstriche zerstören, sollen sie dafür geradestehen», ergänzt der Co-Präsident des Initiativkomitees.
Fragestellung beeinflusst Resultat
Doch Swissmem bleibt dabei: Entscheidend sei, wie die Fragen formuliert würden. Gefragt worden sei nur nach der Respektierung der Menschenrechte. Den Befürwortern gehe es einzig darum, die Initiative vor dem Parlamentsentscheid als klar mehrheitsfähig darzustellen.
Doch was für die eine Seite gilt, ist auf der anderen Seite nicht anders. «Natürlich formuliert jeder die Fragen in seinem Sinn», räumt Brupbacher ein. Dennoch zeige sich, «dass die Ausgangslage keineswegs so eindeutig ist, wie von den Initianten angedeutet».
Ganz wichtig ist Swissmem zudem, dass sich das Parlament von der Umfrage der Initianten nicht beeinflussen lässt. Dann glaubt Direktor Brupbacher weiter an einen spannenden Abstimmungskampf: «Wir sind aber sicher, dass wir die Bevölkerung mit sachlichen Argumenten überzeugen können.»