Analyse zur No-Billag-Abstimmung zeigt
Sogar die Generation Netflix stimmte für die SRG!

Die Jungen wollen kein SRF und bezahlen lieber Streaming-Dienste wie Netflix? Laut der Voto-Abstimmungsanalyse stimmt diese Behauptung nicht. Denn überraschenderweise verwarfen die Jungen die No Billag-Initiative mit 80 Prozent am heftigsten.
Publiziert: 19.04.2018 um 10:00 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 01:25 Uhr
Darum scheiterte die No-Billag-Initiative
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«Digital Natives» sorgten für Überraschung:Darum scheiterte die No-Billag-Initiative
Cinzia Venafro

Die No Billag-Initiative wurde im März wuchtig verworfen – doch warum und von wem genau? Die Antworten dazu liefert nun die Voto-Studie, die im Auftrag der Bundeskanzlei vom Forschungszentrum FORS in Lausanne, dem Zentrum für Demokratie Aarau (ZDA) und dem Forschungsinstitut LINK erstellt wurde.

Die Jüngsten sagten Nein

Auffallend: «Ausgerechnet die vielzitierte «Generation Netflix» lehnte die Volksinitiative am deutlichsten ab», schreiben die Autoren und schlüsseln nach Alter auf:

  • 80 Prozent der 18-bis 29-Jährigen sagten Nein zu No Billag.
  • Mit 40 Prozent Ja sprachen sich die 40- bis 49-Jährigen am häufigsten für die Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren aus
Foto: Infografik

Die Ärmsten sagten eher Ja

365 Franken Billag-Gebühr pro Kopf und Jahr – die Rechnung schlägt bei Wenigerverdienenden stark zu Buche: «Stimmende, die angaben, mit ihrem Einkommen kaum über die Runden zu kommen, legten häufiger ein Ja in die Urnen als solche, die ihre Einkommenssituation positiv beurteilen», so die Studie.

Konkret: 37 Prozent derjenigen, die unter 3500 Franken im Monat verdienen, sagten Ja. «Die subjektive Einkommenssituation spielte eine gewisse Rolle für den Stimmentscheid», so die Autoren. Zur Erinnerung: Im Abstimmungskampf hatten die Initianten argumentiert, die Abschaffung der Billag-Gebühren entlaste vor allem die einkommensschwächsten Haushalte.

Auffallend: Wer das Geld verdient, sagte eher Ja. Konkret: 35 Prozent der Hauptverdienenden legten ein Ja in die Urne. Nur 23 Prozent derjenigen, die weniger zum Haushaltseinkommen beitragen, sagten Ja.

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Frauen und Linke sagten häufiger Nein als Männer und Rechte

Auch ein Geschlechtergraben ging bei No Billag durch die Stimmbevölkerung: 32 Prozent der Männer sagten Ja – und nur 25 Prozent der Frauen.

Und wie treu folgten die Stammwähler den Stimmempfehlungen ihrer Parteien? «Besonders parteilinientreu zeigten sich die Anhängerschaften von Grünen, SP, GLP und CVP, die das Volksbegehren mit Nein-Stimmenanteilen zwischen 90 und 84 Prozent wuchtig ablehnten», so die Autoren.

Die SVP-Wähler waren die einzige Gruppe, die mehrheitlich Ja zu No-Billag sagten: 54 Prozent stimmten der Initiative zu. Allerdings: Damit verweigerten 46 Prozent der SVP-Sympathisanten der Partei die Gefolgschaft.

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Mehrheit findet die SRG zu gross

Und wieso sagten die Bürger Ja oder Nein? «Das Argument, wonach die SRG zu gross und zu teuer geworden sei und ihr Angebot reduzieren solle, fand als einziges Pro-Argument bei einer Mehrheit der Stimmenden Zuspruch», heisst es in der Studie.

Konkret: «Vier von fünf Ja-Stimmenden zeigten sich damit einverstanden und sogar die Hälfte der Nein-Stimmenden ist der Ansicht, die SRG solle sparen.»

Wie sehr vertraut man der SRG? Das war wohl einer der Kernfragen, um zu einem Ja-oder Nein zu kommen: Während Stimmende mit hohem oder sehr hohem Vertrauen in die SRG die No-Billag-Initiative klar ablehnten (mit 79 beziehungsweise 90 Prozent Nein-Anteil), legten fast drei Viertel der Misstrauenden ein Ja ein. «Die Initiative fand bei jenen eine Mehrheit, die die Qualität der SRG-Programme als durchschnittlich (53 Prozent Ja) oder (sehr) schlecht (72 Prozent Ja) bemängelten oder diese nie oder weniger als wöchentlich konsumieren (70 Prozent Ja).

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Tessiner sind gespalten

Zudem lohnt sich ein Blick in Tessin: In der Deutschschweiz ist mit 54 Prozent eine knappe Mehrheit der Meinung, die SRG sei zu gross und zu teuer geworden. In der Romandie weist eine Mehrheit von 58 Prozent dieses Argument zurück. Gespalten ist das Tessin: 48 Prozent finden die SRG sei aufgeblasen, 47 Prozent finden das nicht.

«No Billag gleich No SRG»-Argument kam an

Was passiert bei einem Ja? Darüber stritten sich Initianten und Gegner heftig vor dem Abstimmungstag. Jetzt zeigt sich: Die Gegner konnten mit ihren Argumenten punkten: 80 Prozent der Ja-Stimmenden glaubten, dass die Initiative die Existenz der SRG bedroht.

Wie wichtig ist die SRG denn für den nationalen Zusammenhalt und für die Solidarität mit allen Sprachregionen? Sehr wichtig, sagten sogar 60 Prozent der Ja-Sager. «Nein-Stimmende hiessen dieses Argument praktisch einstimmig gut (97 Prozent) und auch eine klare Mehrheit der Ja-Stimmenden pflichtete ihm bei (60 Prozent). Diese Haltung ist insofern nicht widersprüchlich, als eine Mehrheit der Ja-Stimmenden die Existenz der SRG durch die Abschaffung der Billag-Gebühren nicht gefährdet sah.» 

SRG freut sich und verspricht 100 Millionen zu sparen

Bei der SRG hat man die Studie freilich gern gelesen: «Die SRG nimmt erfreut zur Kenntnis, dass ihr die VOTO-Studie zur No-Billag-Abstimmung vom 4. März insgesamt eine hohe bis sehr hohe Akzeptanz und Glaubwürdigkeit beim Publikum über alle Altersklassen hinweg attestiert und mit der Qualität der Programme sehr zufrieden ist», so Sprecher Edi Estermann.

Er betont: «Mit ihrem am Abstimmungssonntag kommunizierten Reform- und Effizienzsteigerungsprogramm trägt die SRG bereits dem Umstand Rechnung, dass sich eine Mehrheit der Abstimmenden gemäss der Studie von der SRG Reformen wünscht.»

Die SRG habe sich ein Sparziel von CHF 100 Mio. gesetzt, was insgesamt auch zu einer Verkleinerung des Unternehmens führen werde. Und Estermann verspricht: «Das Programm soll von den Sparbemühungen aber nicht direkt tangiert werden.»

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