Anfang Woche nahm sich der einzige Romand aus dem Rennen: SP-Nationalrat Mathias Reynard (32, VS) kandidiert nicht länger für das sozialdemokratische Parteipräsidium.
Somit steht SP-Fraktionschef Roger Nordmann (47, VD) in absehbarer Zeit wohl alleine da. Denn die Spitzenämter sämtlicher Parteien sind ansonsten von Deutschschweizern besetzt: Partei- wie Fraktionschefs kommen künftig voraussichtlich alle aus der Deutschschweiz. Bei Parteien, die gerade ihre Spitze neu besetzen, befinden sich auffällig viele Zürcher und Aargauer in der Poleposition.
In der SP dürfte das Duo Mattea Meyer (32, ZH) und Cédric Wermuth (34, AG) im Oktober den Freiburger Christian Levrat (49) ablösen. In der SVP kommen die offiziellen Kandidaten Alfred Heer (58) und Andreas Glarner (57) ebenfalls aus Zürich oder dem Aargau. Und gestern haben die Grünen den Zürcher Balthasar Glättli (48) zu ihrem neuen Präsidenten gewählt.
Sprache der Mehrheit
Wie kommt diese Deutschschweizer Übermacht in der Romandie und im Tessin an? SP-Fraktionschef Nordmann stellt trocken fest: «Wenn man in der Politik gehört werden will, muss man Deutsch sprechen.» Die Minderheit könne es sich gar nicht leisten, die Sprache der Mehrheit nicht zu beherrschen. Das gehe so weit, dass Nordmann seinen französischsprachigen Parteikollegen Levrat an Sitzungen manchmal aus Versehen auf Deutsch anspreche.
Der Waadtländer befürchtet, dass da künftig die Befindlichkeiten der Romandie vergessen gehen könnten. Das wäre ein Fehler, denn: «Die beiden Landesteile ticken politisch unterschiedlich.»
Aus dem gleichen Grund hofft Reynard, dass die Parteien bei künftigen Neubesetzungen von Spitzenposten Vertreter der lateinischen Schweiz berücksichtigen: «Unser Land basiert auf der angemessenen Vertretung der Minderheiten.»
Vielfalt auch in der Politik
Auch Marco Chiesa (45), Tessiner und SVP-Vizepräsident, spricht sich für eine stärkere Vertretung der lateinischen Schweiz in den Parteispitzen aus. «Sie würde helfen, das Land und seine Vielfalt besser zu verstehen.» Chiesa: «Die Schweiz besteht nicht nur aus grossen Deutschschweizer Städten und Agglomerationen.» Er fügt aber auch hinzu: «Wir dürfen nicht einfach klagen, sondern müssen uns mit unseren Kompetenzen einbringen.» Denn die Tessiner und Romands hätten durch ihre Mehrsprachigkeit auch einen Vorteil.
Roger Nordmann hält fest, dass es immer Phasen gebe, in der eine Region stärker vertreten sei als eine andere. «In den letzten Jahren hatten mit CVP-Chef Christophe Darbellay oder der Grünen-Co-Präsidentin Adèle Thorens Westschweizer wichtige politische Posten inne.»
Die Romands in der SP wollen ihren Machtverlust aber offenbar nicht widerstandslos hinnehmen. Wie die «Aargauer Zeitung» berichtet, überlegt sich eine Gruppe von Parlamentariern, eine Kandidatur aus der Romandie für das Vizepräsidium zu lancieren – am Ende vielleicht gar fürs Präsidium.