Der Ständerat pfiff auf die Empfehlung der vorberatenden Kommission. Mit 22 zu 18 Stimmen bei einer Enthaltung hat das Stöckli heute beschlossen, Terroristen künftig auch in Staaten, in denen ihnen Folter oder gar der Tod droht, zurückzuschaffen. Weil bereits der Nationalrat ja zum Vorstoss von CVP-Nationalrat Fabio Regazzi (56) gesagt hat, muss der Bundesrat diesen umsetzen.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty Schweiz ist alarmiert. Mutmassliche Schweizer Dschihadisten wolle man nicht zurückholen und solche aus der Schweiz ausschaffen, stellt Sprecher Beat Gerber fest. «Dabei ist man offenbar bereit, grundlegende Menschenrechte über Bord zu werfen, das Völkerrecht zu verletzen und die Glaubwürdigkeit der Schweiz als humanitären Staat in Frage zu stellen. Das ist ein fatales Zeichen.»
Non-Refoulement-Gebot gilt immer
Der Vorstoss verletze klar das Non-Refoulement-Prinzip, das nicht nur in der Bundesverfassung, sondern auch in diversen völkerrechtlichen Konventionen festgeschrieben ist. «Jeder Staat hat sich daran zu halten. Die Schweiz als Hüterin des Völkerrechts ganz besonders», sagt Gerber.
Das Non-Refoulement-Prinzip legt fest, dass kein Mensch in einen Staat ausgeschafft werden darf, in dem ihm Folter oder eine andere Art grausamer Behandlung oder Bestrafung droht. Es gehört zum zwingenden Völkerrecht, was bedeutet, dass es universell gilt – auch wenn ein Staat keine Konvention unterzeichnet hat, die das Verbot explizit vorsieht.
Verletzungen des Gebots gebe es immer wieder, so Gerber, «vor allem durch asiatische und arabische Staaten, die Oppositionelle und Kritiker an repressive Regimes ausliefern». In den vergangenen Jahren wurden beispielsweise Fälle von Uiguren bekannt, die von südostasiatischen Staaten nach China rückgeschafft wurden. Und das, obwohl bekannt ist, dass Hunderttausende Angehörige der muslimischen Minderheit in Umerziehungslager landen.
Mitglieder der Schaffhauser IS-Zelle drohe Folter
Der Vorstoss von CVP-Nationalrat Regazzi richtet sich derweil explizit an Angehörige der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Auch andere Staaten würden bei ihnen die innere Sicherheit höher gewichten und sie nach Syrien oder in den Irak zurückschaffen, schreibt er in der Begründung für seine Motion. Amnesty-Sprecher Gerber warnt: «Wir wissen, was mit IS-Sympathisanten im Irak geschieht. Dort werden gerade reihenweise IS-Kämpfer zum Tod verurteilt. Ein fairer Prozess ist nicht garantiert.»
Das ist auch dem Bundesrat bewusst. Justizministerin Keller-Sutter machte den Ständeräten heute klar, dass die Regierung alles tue, um Gefährder ausser Landes zu schaffen. Konkret sprach sie den Fall der Schaffhauser IS-Zelle an. Deren Mitglieder, fünf Iraker, können wegen des Non-Refoulement-Prinzips nicht ausgeschafft werden. Abklärungen hätten ergeben, dass diesen Personen «im Moment die Todesstrafe und je nachdem auch Folter droht», sagte Keller-Sutter. Eine Abschiebung sei deshalb nicht möglich – «auch wenn uns das ärgert».