Kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs verkaufte der Bund den Munitionshersteller Ammotec an den italienischen Konzern Beretta. Wohlgemerkt: in Zeiten, als die Munitionspreise wegen des Krieges durch die Decke gingen. Recherchen von Blick zeigen nun: Weder der Bundesrat noch die Ruag International handelten im Interesse der Steuerzahler. Die Czechoslovak Group bot für Ammotec am meisten, kam aber nicht zum Zug. Was Beretta zahlte, ist geheim. Sicher ist: Es ging um einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag.
Geopolitische Erwägungen dürften dabei kaum eine Rolle gespielt haben, denn Tschechien ist wie Italien Mitglied der Nato. Durch Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine gewann das kleine Land sogar an politischem Gewicht: Prag führt eine EU-weite Initiative an, um auf der ganzen Welt Munition für die Ukraine zu kaufen.
All das beeindruckte die Verantwortlichen offenbar nicht. Trotz der starken Preissteigerungen für Rüstungsgüter nach Ausbruch des Krieges passte Bern den Preis für den führenden Hersteller von kleinkalibriger Munition nicht an. «Ammotec wurde unter Wert verkauft», sagt ein Insider.
Finanzbehörde strich das Rückkaufsrecht
Die Direktion der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV) liess im Interesse Berettas sogar noch eine Auflage streichen. Ursprünglich war von einem Rückkaufsrecht die Rede – «wenn die Sicherheitslage der Schweiz dies erfordere oder wenn die Sicherheitsinteressen der Schweiz durch einen Weiterverkauf der Ammotec gefährdet würden». So geht es aus einem Dokument hervor, das Blick gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz einsehen konnte. Die Finanzverwaltung liess das Rückkaufsrecht streichen. Die Begründung: Es würde den Verkaufspreis drücken und «wie ein Damoklesschwert über dem Käufer» hängen.
Der für den Verkauf verantwortliche Finanzminister Ueli Maurer (73) will sich nicht zum Deal von damals äussern und verweist auf den Verwaltungsrat. Die Ruag International teilt mit: «Der Verkauf des Geschäftsbereichs Ammotec erfolgte in einem sorgfältigen, absolut professionell geführten Prozess unter Abwägung aller relevanten Kriterien und unter Einhaltung der Auflagen des Eigners.»
Bund gab F-35-Kompetenz aus der Hand
Der Ammotec-Deal ist nicht der einzige von Ruag International, der zu reden gibt. Die Schwesterfirma Ruag versucht, einen Zuschlag für die Endmontage der F-35-Kampfjets zu erhalten. In Australien hatte der Staatsbetrieb bereits Erfahrungen mit dem F-35 gesammelt. Dann wurde Ruag Australia an die Asdam-Gruppe verkauft – für die Schweiz gingen Kompetenzen und Kontakte verloren.
Aktuell dreht sich die Debatte um Verkaufspläne von Beyond Gravity, die frühere Ruag Space, die Raumfahrt-Division von Ruag International. Rüstungsexperten bezweifeln, dass ein Verkauf sinnvoll wäre, denn: Nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ist Aufklärung aus dem Weltraum wichtiger denn je. Auch die aktuelle Armeebotschaft nennt den Cyber-Bereich als strategischen Schwerpunkt.
Ruag International hingegen beharrt auf dem Verkauf: «Die Privatisierung von Beyond Gravity ist bis spätestens Ende 2025 erfolgt.»