BLICK: Herr Höpflinger, mit 68 gehören Sie zur geburtenstarken Nachkriegsgeneration – und damit zu den sogenannten Babyboomern.
François Höpflinger: Genau, und als solcher gehöre ich zur «glücklichen Generation».
Erklären Sie dieses Glück!
Die Babyboomer – also die Generation nach dem Zweiten Weltkrieg bis etwa 1965 – wuchsen in einer Zeit auf, in der die Schweiz von einem starken Wirtschaftsaufschwung profitierte und rasch reich wurde. Eine Zeit, die nicht nur von der sexuellen Revolution, sondern auch von Bildungsexpansion und Vollbeschäftigung geprägt war.
Doch jetzt stürzen uns diese glücklichen Babyboomer bei der Altersvorsorge ins Unglück.
Mir persönlich können Sie nichts anlasten. Ich bin immer noch erwerbstätig (lacht)!
Aber Ihrer Generation, die nun in Pension kommt und ein Loch in die AHV-Kasse zu reissen droht.
Schon in den 1990er-Jahren warnte man vor dem Zusammenbruch der AHV und machte grosse Defizitprognosen. Nur sind diese dann nicht eingetroffen. Und die Angst vor der Überalterung der Schweiz ist älter als die AHV selbst! In den 1940er-Jahren warnten die Gegner vor der Einführung der AHV, weil die Geburtenzahlen damals relativ tief waren und sie die AHV für nicht finanzierbar hielten.
Dann können wir uns also beruhigt zurücklehnen.
Die AHV ist zwar noch nicht in der Krise, deshalb können wir uns den Luxus leisten, noch etwas zuzuwarten. Trotzdem dürfen wir die Frage der Altersvorsorge nicht auf die lange Bank schieben, denn die längere Lebenserwartung heizt die Problematik immer weiter an. Wir sind mit einem doppelten Alterungsproblem konfrontiert.
Nämlich?
Mit den Babyboomern kommen einerseits mehr Leute in Rente, anderseits leben diese länger und beziehen damit länger Rente. Die Babyboomer erhalten unter dem Strich mehr, als ihnen zusteht.
Müssen wir nicht einfach eine Übergangslösung finden? Danach kommen doch wieder weniger Leute in Rente, das entlastet die AHV.
Nein, denn der Altersquotient – also der Anteil der Pensionäre im Vergleich zur erwerbsfähigen Bevölkerung – sinkt auch danach kaum. Dies, weil die Leute noch länger leben werden. Gerade die Männer holen rascher auf als erwartet.
Die Männer holen auf?
Bei den heute geborenen Frauen beträgt die Lebenserwartung 85, bei den Männern 81 Jahre. Der Unterschied zwischen den Geschlechtern hat sich innert weniger Jahre von sieben auf vier Jahre verkleinert. Kommt hinzu, dass Männer im Schnitt mehr verdienen und deshalb höhere Renten beziehen. Die Generationenbilanz fällt für die Jungen zunehmend negativer aus.
Mit welchen Folgen?
Es gibt drei Möglichkeiten: länger arbeiten, höhere Beiträge bezahlen oder tiefere Renten erhalten als heute. Oder eine Kombination daraus.
Die nationalrätliche Sozialkommission liebäugelt mit Rentenalter 67.
Um eine Erhöhung des Rentenalters kommen wir langfristig nicht herum. Nur hat das an der Urne derzeit keinerlei Chancen.
Warum eigentlich nicht?
Gerade Leute ab 50 haben heute schlechte Karten, wenn sie arbeitslos werden. Zudem stehen am Arbeitsplatz viele – Jung und Alt – unter Stress und können sich deshalb nicht vorstellen, länger zu arbeiten.
Wie lässt sich das ändern?
Es braucht längere Erholungsphasen. Ich kenne Leute, die sich mit 62 frühpensionieren liessen, mit 63 aber wieder Lust auf Arbeit hatten. Man müsste also die Möglichkeit schaffen, dass man zum Beispiel zwischen 50 und 60 für ein halbes oder ein ganzes Jahr eine Auszeit nehmen kann – finanziert durch die AHV-Kasse. Danach steigt man wieder voll ins Berufsleben ein. Im Gegenzug steigt dafür das Rentenalter entsprechend an.
Zur Debatte steht auch eine stärkere Finanzierung.
Zumindest bei der AHV sind Korrekturen relativ einfach möglich. Geht man über zusätzliche Mehrwertsteuerprozente, zahlen auch die Rentner ihre Renten mit. Am einfachsten geht es über höhere Löhne. Deshalb ist die Bildungspolitik extrem wichtig für die Alterspolitik.
Wieso das?
Wird in die Bildung investiert, erzielt man in der Regel auch ein besseres Einkommen. Dann fliesst auch mehr Geld in die Altersvorsorge.
Die AHV-plus-Initiative fordert um zehn Prozent höhere AHV-Renten. Was halten Sie davon?
Finanziell könnten wir uns das schon leisten. Aber man muss sich die Frage stellen, ob das Sinn macht. Gerade die tieferen Einkommen haben ja nichts davon, weil sie dann einfach weniger Ergänzungsleistungen erhalten.