Alt Ständerätin Christine Egerszegi kritisiert das Stöckli
Folter-Entscheid sei ein «unüberlegter Schnellschuss»

Er sei von der «Chambre de réflexion» zur «Chambre d'émotion» verkommen, enerviert sich alt Ständerätin Christine Egerszegi über die kleine Parlamentskammer. Grund: Der Entscheid, dass die Schweiz Terroristen in Folterstaaten ausschaffen darf.
Publiziert: 20.03.2019 um 23:54 Uhr
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Aktualisiert: 21.03.2019 um 09:17 Uhr
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Christine Egerszegi war von 2005 ...
Foto: Keystone
Cinzia Venafro

Es war ein Ja der Schande: Vorgestern entschied der Ständerat – eigentlich als Chambre de réflexion jene Kammer, die den emotionalen Nationalrat heruntertemperiert –, dass die Schweiz Terroristen in Folterstaaten ausschaffen darf. Das Begehren kam aus der Küche der CVP – der Tessiner Nationalrat Fabio Regazzi (56) hatte es bereits erfolgreich in der grossen Kammer durchgeboxt.

Das Problem: Laut zwingendem Völkerrecht und der Bundesverfassung darf niemand in einen Staat ausgeschafft werden, in dem ihm Gewalt oder der Tod droht. Und so plädierten sogar bürgerliche Ständeräte wie der Appenzeller Andrea Caroni (38, FDP) erfolglos gegen die Forderung der CVP. Die Linke war erwartungsgemäss geschlossen dagegen – so wie Bundesrat und die vorberatende Kommission.

FDP-alt-Ständerätin Egerszegi ist «schwer enttäuscht»

Jetzt schaltet sich mit alt Ständerätin Christine Egerszegi (70) eine gewichtige liberale Stimme in den Streit um die Ausschaffung in Folterstaaten ein. «Der Ständerat hat mich schwer enttäuscht. Er war bisher immer der Rat, der solch emotionale und überspitzte Forderungen nicht unterstützt hat», sagt die Aargauer FDPlerin, die von 2005 bis 2015 im Stöckli sass. Egerszegi prangert an: «Vorgestern wurde aus der Chambre de réflexion die Chambre d'émotion! Das schadet unserem Land.»

Und sie warnt: Der Entscheid sei ein «unüberlegter Schnellschuss», den man nicht auf die leichte Schulter nehmen dürfe. «Die Schweiz soll also Terroristen in Folterstaaten ausschaffen dürfen? Das stellt unsere Rechtsstaatlichkeit fundamental in Frage!» Auch Mörder könne man in der Schweiz «nicht einfach töten. Damit ritzt der Ständerat an unserem Ansehen der Menschlichkeit.»

Absender CVP hätte man so «krassen Vorstoss» nicht zugeordnet

Gerade auch mit Blick nach Genf als Zuhause des Internationalen Roten Kreuzes sei die Ausnahmeregelung bedenklich. «Die Schweiz hat beim Erhalt des Völkerrechts bisher eine Vorreiterrolle gespielt. Mit Entscheiden wie diesem oder jenem mit den Waffenexporten in Bürgerkriegsländer schaden wir dem Ruf von unserem Land.»

Doch warum sagte die kleine Kammer überhaupt so überraschend Ja zum Folterstaaten-Vorstoss der CVP? Egerszegi: «Man hat dem Absender keinen solch krassen Vorstoss zugeordnet. Wäre es aus der SVP gekommen, hätten die Ständeräte es kritischer angeschaut.»

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