Alt Nationalrat und Ex-FDP-Präsident Franz Steinegger über das USR-III-Debakel
«Ich hatte selber Mühe, die Vorlage zu begreifen»

Ein Gespräch über die abgelehnte USR III, Eliten-Kritik und den erstarkenden Populismus in Europa.
Publiziert: 14.02.2017 um 09:59 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 11:03 Uhr
Franz Steinegger: «Nur mit Hinweis auf Arbeitsplätze sind Steuerabstimmungen nicht zu gewinnen. Die Leute müssen auch drauskommen.»
Foto: Philippe Rossier
Interview: Joël Widmer

Der Urner Franz Steinegger (73) sass von 1980 bis 2003 im Nationalrat. Von 1989 bis 2001 war er Präsident der FDP Schweiz. Seinen Spitznamen «Katastrophen-Franz» hat er sich als Leiter des Urner Krisenstabs bei den Unwetterkatastrophen von 1977 und 1987 verdient. BLICK hat mit dem Juristen gesprochen.

Franz Steinegger (73), alt Nationalrat und Ex-Präsident der FDP.
Foto: PHILIPPE ROSSIER

BLICK: Die Unternehmenssteuerreform wurde an der Urne mit 60 Prozent Nein abgeschmettert. Warum hat das Stimmvolk der versammelten bürgerlichen Elite nicht vertraut?
Franz Steinegger: Die Vorlage war zu komplex. Ich selber hatte Mühe, sie zu begreifen. Zudem war die Sache belastet – wegen der USR II. Und wenn man etwas auf Druck des Auslandes machen muss, ist das immer ein Problem. Die Wirtschaft hat zudem seit der Finanzkrise insgesamt an Prestige verloren.

Warum hat man diesen Prestigeverlust nicht aufgeholt?
Es fehlt an Geschlossenheit. Es fehlt an Konzentration auf wichtige Fragen. Nur mit Hinweis auf Arbeitsplätze sind Steuerabstimmungen nicht zu gewinnen. Die Leute müssen auch drauskommen.

Warum fühlt sich der Mittelstand schlecht behandelt?
Die Leute haben Angst, dass am Ende der Mittelstand zahlt. Berechtigt war das zwar nicht. Aber es geht halt um Wahrnehmung.

Was ist los mit dem Mittelstand?
Er hat das Gefühl, er sei von allen Seiten unter Druck. Er muss auf Subventionen verzichten, im Sozial- und Bildungsbereich. Er hat Angst, er müsse zusätzliche Steuern zahlen. Das ist teilweise berechtigt. Darum haben wohl auch SVP-Kreise dagegen gestimmt.

Wie kann die Elite das Vertrauen des Mittelstands wieder gewinnen?
Man kann nicht mehr eine so eine komplexe Vorlage unterbreiten. Und alle Bundesratsparteien müssen dahinterstehen, auch die SP. Das ist die Lehre aus dem Nein vom Sonntag. Bürgerliche Parteien plus Wirtschaft reichen bei einer solch komplexen Vorlage nicht. Zudem muss die Wirtschaft daran arbeiten, das Vertrauen zurückzugewinnen.

Hat die bürgerliche Mehrheit seit den letzten Wahlen überbordet?
Die Forderungen der Linken waren zum Teil auch Ladenhüter. Aber vielleicht war man zu selbstbewusst. Man hat ja nicht mal die eigenen Reihen schliessen können.

Welche Wirkung hatte das Interview von Eveline Widmer-Schlumpf?
Das hat zweifelnde Kritiker schon bestätigt und so eine Rolle gespielt. Und sie hat Verunsicherung gestreut.

Rächt sich die dauernde Eliten-Kritik der SVP?
Ja, sicherlich. Man kann nicht seit dem EWR ständig gegen die da oben argumentieren und dann meinen, das habe keine Wirkung. Wenn man selbst etwas vom Stimmvolk will, wird man mit diesem Eliten-Verdruss konfrontiert.

Populismus ist weltweit im Trend. Zeigte sich das auch beim Nein zur Unternehmenssteuerreform III?
Es war wohl keine plumpe, generelle Eliten-Kritik. Sonst hätte man bei der erleichterten Einbürgerung ein knapperes Resultat gehabt. Ich würde den Abstimmungssonntag nicht in eine Linie mit Brexit oder Le Pen stellen.

Wie beobachten Sie den erstarkten Populismus in Europa generell?
Man hat teilweise Angst, wie das in reinen Nationalismus überschiesst. Man spürt seit den 90er-Jahren, dass ein Wechsel vom linksliberalen Mainstream zu harten rechten Positionen stattfindet. Das ist eine Änderung der Gefühlslage. Man will sich nicht zu viel vom Ausland aufdrücken lassen. Diesem Phänomen muss man in kleinen Schritten begegnen, aber sicher nicht mit noch mehr europäischer Integration.

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