Alt Bundesrätin Micheline Calmy-Rey erinnert sich
«Kohl hatte eine Vision für Europa»

Mit Helmut Kohl († 87) stirbt der Mann, der Deutschland und Europa einigte. Und der, so alt Bundesrat Adolf Ogi, «ein Herz für die Schweiz hatte».
Publiziert: 16.06.2017 um 23:54 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 22:37 Uhr
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Alt Bundesrätin Micheline Calmy-Rey (71) traf Helmut Kohl 2007 in Lausanne: «Als ich vor ihm stand, hatte ich den Eindruck, ich begegne der Geschichte.»
Foto: MARTIAL TREZZINI
Joël Widmer

Er galt als Freund der Schweiz. Laut alt Bundesrat Adolf Ogi (74), der ihn oft getroffen hat, kam Kohl fast jedes Jahr einmal zu uns. «Helmut Kohl war der deutsche Bundeskanzler mit einem Herz für die Schweiz und einem grossen Verständnis für unser politisches System«, erinnert sich Ogi. «Er hat die Schweiz geliebt und verstanden, wie selten ein deutscher Politiker vor und nach ihm.» Kohl habe sie als Modell für Europa gesehen.

Besonders in Erinnerung ist Ogi das Dreiländertreffen im Dezember 1989 in Basel. Kohl und der französische Staatschef François Mitterrand reisten mit ihren neuen Hochgeschwindigkeitszügen nach Basel, um mit Bundespräsident Jean-Pascal Delamuraz die regionale grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Elsass, Baden-Württemberg und der Nordwestschweiz zu besiegeln. Ogi begleitete als Verkehrsminister Delamuraz mit einer Bahn-2000-Lok nach Basel. Als sich die Staatschefs ins Cockpit des TGV zwängten, sei ein französischer Übersetzer an Ogi vorbeigehastet und habe gesagt, er müsse da rein, sonst verstehe Mitterrand Kohl nicht. Dass Kohl und Mitterrand für dieses Treffen Basel auswählten, zeigte ihre besondere Wertschätzung für die Beziehungen zur Schweiz. Auch am World Economic Forum in Davos GR war Kohl mehrere Male zu Gast. 1990 traf sich der Kanzler mit DDR-Ministerpräsident Hans Modrow – zwei Monate nach dem Fall der Berliner Mauer –, um über die deutsche Wiedervereinigung zu sprechen.

Auch nach seiner Amstzeit blieb Helmut Kohl der Schweiz verbunden. Vor zehn Jahren traf ihn auch alt Bundesrätin Micheline Calmy-Rey (71) in Lausanne am Rande einer Veranstaltung. «Als ich vor ihm stand, hatte ich den Eindruck, ich begegne der Geschichte», sagt die ehemalige Aussenministerin. Für die Sozialdemokratin ist klar: «Kohl war ein grosser Staatsmann, der eine Vision für Europa hatte.» Er habe Geschichte geschrieben, indem er Deutschland vereinigte.

Obwohl er die Schweiz gut kannte, täuschte sich Helmut Kohl manchmal. So gab er 2001 gegenüber dem «Figaro Magazine» zu Protokoll, bis 2010 werde der Euro in der Schweiz eingeführt.

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