Jetzt schiesst auch alt Bundesrätin Micheline Calmy-Rey (73, SP) gegen das Rahmenabkommen mit der EU. Sie fürchtet um den Arbeitnehmerschutz in der Schweiz: Mit dem jetzigen Entwurf könne die EU diesen aushebeln.
Trotz grundsätzlicher EU-Freundlichkeit der Sozialdemokratin: Mit dem, was ihr Nachfolger Ignazio Cassis ausgehandelt hat, ist sie alles andere als zufrieden: «Dieses Abkommen, wie es jetzt auf dem Tisch liegt, kann nicht unterschrieben werden.» Es brauche «zusätzliche Schutzklauseln und Richtigstellungen», fordert die alt Bundesrätin im SRF.
Zwingt die EU der Schweiz ihre Regeln auf?
Calmy-Rey befürchtet, dass die EU die Schweizer Bestimmungen zum Arbeitnehmerschutz aushöhlen könnte. Mit dem jetzigen Entwurf des Rahmenabkommens müsste die Schweiz bereits die Lohnschutz-Regeln der EU übernehmen.
Die Einmischung der EU könnte jedoch noch weiter gehen, sorgt sich die alt Bundesrätin: «Wenn wir das EU-Recht übernehmen, müssen wir uns auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) anpassen.»
Zwar würde künftig ein Schiedsgericht über Streitigkeiten zwischen der EU und der Schweiz urteilen. Doch: «Die Kompetenzen des Schiedsgerichts sind sehr beschränkt.»
Noch viel Korrekturbedarf beim Rahmenabkommen
Denn betreffen die Streitpunkte die Auslegung von EU-Recht und liegt keine einschlägige Rechtsprechung vor, muss das Schiedsgericht an den EuGH gelangen: Und die Auslegung des EuGH ist bindend.
Dieses Szenario würde gemäss der alt Bundesrätin bei allen Streitigkeiten rund um die Marktzugangsabkommen eintreten: Hier komme EU-Recht zur Anwendung, welches der EuGH verbindlich auslegen werde, so Calmy-Rey.
Die EU wolle, dass sich die Schweiz ihren Regeln anpasst. Das Ziel der EU sei es, Schweizer Ausnahmen zu verhindern und stattdessen ihre eigenen Interessen stärker zu wahren. Trotzdem ist für Calmy-Rey klar: Beim Rahmenabkommen besteht noch viel Korrekturbedarf. (pro)