Alexander Tschäppät (64) regierte die Stadt Bern 12 Jahre lang mit lockerer Hand
Schluss mit lustig

In Bern wird am Sonntag ein neuer Stadtpräsident gewählt. Erstmals könnte es eine Frau sein, welche die Bundeshauptstadt die nächsten vier Jahre dirigieren wird. Damit geht die Ära Tschäppät zu Ende. Er sorgte vor allem mit Fettnäpfchen und Schnapsideen für Schlagzeilen.
Publiziert: 25.11.2016 um 09:56 Uhr
|
Aktualisiert: 01.10.2018 um 00:28 Uhr
1/8
Freude über den neuen Bärenpark: Mit Bärenwärter-Mütze an der Eröffnung 2009.
Foto: LUKAS LEHMANN
Matthias Halbeis

In der Stadt Bern geht eine Ära zu Ende. Am 31. Dezember 2016 hört Alexander Tschäppät (64) nach 12 Jahren als Stadtpräsident auf. Er hat Bern geprägt, im Guten wie im Schlechten. Mit guter Laune wie mit schlechten Sprüchen. Gearbeitet hat Tschäppät natürlich auch, für Schlagzeilen sorgte er aber mit anderem.

Der gmögige SP-Mann bleibt vor allem durch Fettnäpfchen und Schnapsideen in Erinnerung: Sein «Blocher Motherfucker!»-Auftritt mit einer Punk-Band, seine Italiener-Witze oder sein lockerer Umgang mit Frauen – der ihm den Titel «schnellster Finger von Bern» eintrug. Einen Stadtinspektor gibt es immer noch nicht. Einen solchen wollte das SP-Urgestein einführen, um gegen Reklameschilder und Karton-Stapel in der Altstadt vorzugehen.

Ob die Ära Tschäppät eine gute oder schlechte war, daran scheiden sich die Geister. Klar ist: Bern geht es nicht so schlecht, wie es die Bürgerlichen gern darstellen. So wird es am Sonntag bei ihrem Versuch bleiben, die Regierungsmehrheit zu knacken.

Doch so fit, wie sie die regierende Mehrheit aus Roten, Grünen und der Mitte darstellt, ist die Bundesstadt auch nicht. Klar ist Bern gewachsen, klar sind neue Arbeitsplätze entstanden, klar ging es aufwärts. Doch das war in anderen grösseren Zentren der Schweiz auch der Fall. Dort noch mehr.

Lieben statt verwalten

Der lustige Alex hat im letzten Sommer selbstbewusst behauptet: «Diese Stadt muss man lieben, nicht verwalten.» Vor allem hätte er sie entwickeln sollen. Gerade weil in seiner Mini-Präsidialdirektion nur gerade Raumplanung und Stadtentwicklung wirklich von Bedeutung sind. Kleine Erfolge hat Tschäppät durchaus vorzuweisen: So hinterlässt er etwa den neuen Bundesplatz, den Baldachin am neugestalteten Bahnhofplatz oder die Gross-Wohnüberbauung im Viererfeld. Andere Würfe in der Stadtentwicklung? Nichts da.

Banken oder Beraterfirmen attestieren der Bundesstadt in Standortanalysen ein grösser gewordenes Potenzial. Dank Bundesmillionen für Bahninfrastruktur ist sie viel besser erschlossen als vor der Tschäppät-Zeit. Dazu profitierte Bern – anders als Zürich oder Basel – auch von grossen Investitionen der Bundesriesen Post und SBB. Dies in Impulse umzumünzen, gelang aber nicht. Und so dümpelt Bern weiter und wohlig im Mittelfeld.

Erfolgreicher Mechaniker der Macht

Viel erfolgreicher war Tschäppät in der Mechanik der Macht. So verhalf er vor vier Jahren seiner neuen SP-Kollegin Ursula Wyss zum harmlosen Job in der Tiefbaudirektion. In den sauren Apfel beissen mussten dafür Franziska Teuscher (58) und Alexandre Schmidt (46). Die Grüne hatte in der Sozialdirektion aufzuräumen – zuvor das Kerngeschäft der Roten. Schmidt erhielt die Finanzen: Bei hohen Ausgaben und drückender Steuerlast kein Traumjob für den FDP-ler. Tschäppät bevorzugte für sich und seine Partei eher die ruhige Kugel.

Kein Wunder, gibt es am Schluss der Legislatur Streit in der seit 24 Jahren regierenden Rot-Grün-Mitte-Koalition. Die Partner der SP sehen sich als Mehrheitsbeschaffer verraten. Das Resultat: Alle bisherigen Gemeinderatsmitglieder wollen Stadtpräsident werden. Am Sonntag kommt es deshalb zur spannendsten Wahl seit langem. Immerhin ist dies ein Erfolg, den man Tschäppät zuschreiben kann.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?