Alain Berset über sein bevorstehendes Jahr als Bundespräsident
«Ich hoffe, dass ich genügend Zeit für Muriel und die Familie finde»

2018 wird der Alain Berset als Bundespräsident amtieren. Ein ganzer Kanton jubelte am vergangenen Donnerstag dem Freiburger zu. Mit SonntagsBlick schaut der Magistrat dem kommenden Jahr entgegen, erklärt, was er aus der Geschichte gelernt hat und welche autoritäre Tendenzen im Sorgen bereiten.
Publiziert: 17.12.2017 um 11:44 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 21:25 Uhr
«Ein Langstreckenläufer» und «etwas ungeduldig»
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Kollegen über den neue Bundespräsident Alain Berset:«Ein Langstreckenläufer» und «etwas ungeduldig»
Interview: Simon Marti und Marcel Odermatt

Düdingen, Belfaux, Freiburg und zum Abschluss Bulle: Zur Feier seiner Wahl zum Bundespräsidenten absolvierte Alain Berset vergangenen Donnerstag (45) eine wahre Tour de Fribourg! Am Rande des grossen Diners zu seinen Ehren sprach der Sozialdemokrat im exklusiven Interview über das bevorstehende Amtsjahr.

Herr gewählter Bundesprä­sident, in Ihrer Feierrede in Freiburg sprachen Sie von den Institutionen der Eidgenossenschaft, die es zu bewahren und zu schützen gelte. Wie meinen Sie das?
Alain Berset:
Wir sollten durchaus hart streiten in der Schweiz. Eine ehrliche Auseinandersetzung ist gut. Dieser Streit darf aber nie grundlegende Elemente unserer Demokratie, den Rechtsstaat zum Beispiel, in­frage stellen. Ein Blick in an­dere Länder zeigt uns, dass die demokratischen Institutionen durchaus nicht immer immun sind gegen eine Politik der grossen Wut und der extremen Polarisierung.

Sehen Sie sich in Ihrem Amtsjahr als Bewahrer dieser Institutionen?
Die direkte Demokratie oder der Rechtsstaat sind nicht vom Himmel gefallen! Unsere Institutionen sind immer wieder durch das Volk demokratisch entschieden worden, zuletzt 1999 mit der Annahme der Totalrevision der Bundesver­fassung. Wer diesen Volksentscheid akzeptiert, muss sich für diese Werte einsetzen.

Verteidigen muss man nur etwas, was gefährdet ist. Woher droht die Gefahr?
Es gibt eine ganze Reihe von Staaten, die jüngst eine autoritäre Richtung eingeschlagen haben. Bei uns ist der Respekt vor den Institutionen zum Glück gross. Aber das heisst nicht, dass man das Bewusstsein für die Wichtigkeit dieser Institu­tionen nicht noch weiter stärken soll. Deshalb sage ich: Unsere Debatten können, ja sollen manchmal hart sein. Aber sie dürfen nie unsere faire politische Kultur gefährden. Wir wissen auch in hitzigen Auseinandersetzungen, dass auch der Gegner recht haben könnte. Diese in unserem politischen Alltag gelebte Erkenntnis ist eine grossartige Errungenschaft, die wir unbedingt bewahren müssen.

Gibt es etwas, das Ihnen Angst macht vor diesem Präsidialjahr?
Angst wäre falsch, aber ich habe grossen Respekt vor dieser Aufgabe. Doch ich stelle mich ihr gerne. Dabei kann ich auf engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zählen. Und ich hoffe, dass ich genügend Zeit für Muriel und die Familie finde.

Ihnen war es wichtig, die Wahl an Ihrem Wohnort Belfaux zu feiern. Sie verwiesen auf die historische Bedeutung dieses Ortes: Dort haben die konservativen Freiburger 1847 im Sonderbundskrieg kapituliert. Warum haben Sie das betont?
Ich wohne in Belfaux, bin da aufgewachsen. Hier hatte General Dufour einst sein Hauptquartier. Was tat er, als die Freiburger die Waffen streckten? Er demütigte die Besiegten nicht. Im Gegenteil! Die Gewinner des Sonderbundskrieges nahmen Rücksicht auf deren Wunsch nach Souveränität der Kantone. Das war eine weitsichtige und grosszügige Entscheidung, die bis heute eine Grundlage unseres Bundesstaates bildet.

Anders als im 19. Jahrhundert verlaufen die Gegensätze in der Schweiz nicht mehr zwischen Katholiken und Protestanten, sondern zum Beispiel zwischen urbanen und ländlichen Regionen. Wie wollen Sie diesen Graben überwinden?
Wir haben viele verschiedene Bruchlinien in der Schweiz wie Sprache, Religion oder eben Regionen, aber keine Gräben. Und diese Bruchlinien sind nicht deckungsgleich und verhindern unseren Zusammenhalt nicht. Weil wir immer daran arbeiten, debattieren, Kompromisse suchen. Wir sind eine Kompromissnation. Und dazu will ich meinen Beitrag als Bundespräsident leisten.

Ihre Vorgängerin Doris Leut-hard war eine aussenpolitisch sehr aktive Bundespräsidentin. Wollen Sie dies ähnlich handhaben, gerade im Hinblick auf die Verhandlungen mit der EU?
Ja. Wer Bundespräsident ist, steht ein Jahr lang auf Augenhöhe mit den anderen Staatschefs. Es ist seine Aufgabe, die Interessen unseres Landes zu vertreten. Schon im Januar habe ich am WEF in Davos eine gute Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen.

Eine Reise nach Brüssel würde sich anbieten. Im März soll das Rahmenabkommen unterschriftsbereit sein.
Die Europapolitik ist für unser Land zentral. Falls ein direkter Kontakt erforderlich ist, reise ich nach Brüssel. Wann immer es nötig ist.

Kann ein Schweizer Bundespräsident überhaupt auf Augenhöhe mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker verhandeln?
Aber sicher.

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