AHV-Steuer-Deal auf Ständeratskurs
Aeschi hadert mit «FDP-CVP-SP-Kuhhandel»

Am Montag brütete die Wirtschaftskommission des Nationalrats stundenlang über dem AHV-Steuer-Deal. Sie bleibt weitgehend auf der Linie des Ständerats. Das ärgert SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi. Auch die Grünen sind unzufrieden.
Publiziert: 14.08.2018 um 19:09 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 22:16 Uhr
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Als sozialer Ausgleich für die Steuerreform soll die AHV-Kasse mit jährlich zwei Milliarden Franken aufgepeppt werden. Das hat der Ständerat beschlossen – und auch die nationalrätliche Wirtschaftskommission will nicht an diesem Deal rütteln.
Foto: Keystone
Ruedi Studer

Der AHV-Steuer-Deal des Ständerats sorgt auch bei den Nationalräten für viel Gesprächsstoff: Die nationalrätliche Wirtschaftskommission (WAK) brütete am Montag in einer Open-End-Sitzung stundenlang über der Vorlage. Dabei standen Dutzende Anträge von links bis rechts auf der Traktandenliste. 

Erste Entscheide sind bereits gefallen, wie BLICK berichtete. Dabei zeigt sich: Die Nationalratskommission ist auf Ständeratskurs! So informierte die Kommission heute nun offiziell über ihre bisherigen Entscheide – Abweichungen zur kleinen Kammer gibt es bisher keine.

Keine Aufsplittung der Vorlage

Eine Aufsplittung des Steuer- und AHV-Teils in zwei separate Vorlagen kommt für die WAK nicht in Frage: Die Idee wischte sie mit 15 zu 10 Stimmen vom Tisch. Die Mehrheit will den Deal in einer einzigen Vorlage festgeschrieben wissen. Das Volk sei in der Lage, diese Reform als Ganzes zu beurteilen, heisst es in der Medienmitteilung dazu. 

Auch inhaltlich machte die WAK bereits Nägel mit Köpfen: So hält sie an einer sozialen Kompensation fest, «damit die Reform auch vor dem Volk bestehen kann». Anträge, die gar keine soziale Kompensation vorsehen wollten, fielen durch. Insgesamt sollen jährlich also rund 2 Milliarden Franken zusätzlich in die AHV fliessen. Dafür bleibt es bei der für den linken Support wichtigen AHV-Mitfinanzierung via Lohnprozente, die um insgesamt 0,3 Prozent steigen sollen.

Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer anstelle von Lohnprozenten hatte keine Chance. Für eine Mehrwertsteuererhöhung hätte es nämlich eine Verfassungsänderung gebraucht, was die ganze Vorlage weiter verzögert hätte. 

Doch gerade aus bürgerlicher Sicht ist der Zeitdruck für die Unternehmenssteuerreform gross. Die Lust ist klein, mit zusätzlichen Elementen das bereits fragile Kompromiss-Konstrukt zum Einbrechen zu bringen. 

Chancenlose Änderungsanträge

So lässt sich auch erklären, weshalb die Kommission bei der umstrittenen Dividendenbesteuerung sämtliche Änderungsanträge ablehnte und damit auf Ständeratslinie bleibt. Das heisst: Auf Bundesebene müssen Dividenden künftig zu mindestens 70 Prozent und in den Kantonen zu mindestens 50 Prozent besteuert werden. 

Zahlreiche Anträge, welche den Deal aus dem Gleichgewicht gebracht hätten, blieben chancenlos: Eine Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 in die jetzige Vorlage zu packen, lehnte die Kommission mit 15 zu 9 Stimmen ab. Auch der Vorschlag, den AHV-Anteil aus der Bundeskas se stärker zu erhöhen, fiel durch. 

Matter-Vorschlag wird separat weiterbehandelt

Was übrigens nicht in der Medienmitteilung steht: Auch die Idee von SVP-Nationalrat Thomas Matter (52, ZH), das AHV-Finanzloch mit Nationalbank-Geldern zu stopfen, war ein Thema. Da für diesen Milliarden-Zustupf eine separate Volksabstimmung nötig würde, wird er nun unabhängig vom AHV-Steuer-Päckli weiterbehandelt.

Daher hat die Verwaltung den Auftrag gefasst, die Matter-Idee in eine Kommissionsinitiative umzuformen. Erst dann wird die WAK definitiv darüber entscheiden. 

Nationalrat entscheidet in Herbstsession 

Trotz verlängerter Sitzung hat die WAK das Geschäft noch nicht durch. Auf den 3. September ist das Geschäft erneut traktandiert. Dann wird es noch einige spannende, aber sehr technische Fragen zu klären geben, insbesondere im Steuerteil: Das Kapitaleinlageprinzip (KEP) steht dann ebenso auf dem Programm wie die Patentbox oder die Abzüge für Eigenkapital sowie Forschung und Entwicklung. Auch die von SVP-Seite eingebrachte Verknüpfung mit Finanzausgleich wird dann debattiert.

Grosse Änderungen zur Ständeratsvorlage sind auch hier nicht zu erwarten. Am 12. September wird sich der Nationalrat in der Herbstsession mit dem Päckli befassen.

Grünen-Chefin Rytz fordert Nachbesserungen 

Das Zwischenfazit der Parteien fällt unterschiedlich aus. Die Jungen Grünliberalen drohen bereits mit dem Referendum, sollten die Vorlage nicht doch noch aufgetrennt werden. 

Die CVP sieht die Reform derweil auf Kurs und «appelliert an alle Parteien, dieses fragile Gleichgewicht in dieser zentralen Vorlage nicht zu gefährden und die Reform möglichst zügig zum Abschluss zu bringen».

Grünen-Chefin Regula Rytz (56, BE) hingegen ist mit der Vorlage noch nicht zufrieden: «Der Auftrag der Bevölkerung nach mehr Steuergerechtigkeit und weniger Steuerausfällen wird damit nicht ernst genommen.» Sie fordert Nachbesserungen, etwa bei der umstrittenen Patentbox und bei der Dividendenbesteuerung. «Ich hoffe auf die Vernunft des Parlaments. Die Vorlage ist noch nicht mehrheitsfähig.»

Anders sieht es SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer (70, BL): «Der Kompromiss könnte sich als tragfähig erweisen.»

SVP-Aeschi kritisiert «FDP-CVP-SP-Kuhhandel»

SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (39, ZH) hingegen hadert mit dem bisherigen Ergebnis. «Wir haben zahlreiche Anträge gestellt, die abgelehnt wurden. So etwa auch für eine Entlastung von natürlichen Personen bei der direkten Bundessteuer um 13 Prozent.» Diesen und weitere Anträge werde man in der Herbstsession wieder einbringen.

Die Hoffnung, dass die SVP-Anliegen dannzumal berücksichtigt werden, ist aber klein: «Man spürt ganz fest, dass im Ständerat ein FDP-CVP-SP-Kuhhandel gemacht wurde, der nun wohl auch im Nationalrat im Grossen und Ganzen so durchkommt.»

Wie sich die SVP in diesem Fall dazu stellen wird, lässt er offen. In der Fraktionssitzung vom 31. August wird die Vorlage jedenfalls intensiv diskutiert – denn auch in der SVP gehen die Meinungen auseinander.

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