Wieder ins Restaurant, mit dem Zug zur Arbeit, das Grosi besuchen: Die Schweiz befindet sich nach dem Corona-Lockdown auf dem Weg zurück in die Normalität. Weit unter 100 Neuansteckungen pro Tag meldet das Bundesamt für Gesundheit seit dem zweiten Öffnungsschritt am 11. Mai.
Je tiefer die Zahl, desto drängender ist die Frage: Wo können sich die Menschen noch anstecken? Daniel Koch (65) vom Bundesamt für Gesundheit kann diese Frage nicht beantworten. Vielleicht könne man das nie sagen, so Mr. Corona letzte Woche.
Doch dank des Contact-Tracing, also der Rückverfolgung der Ansteckungsketten, sind inzwischen sehr wohl erste Aussagen möglich. So gehen Ärzte davon aus, dass die Ansteckungsgefahr drinnen höher ist als draussen. «Besonders heikel sind enge Raumverhältnisse und wenig Distanz zwischen den Menschen», sagt der Basler Kantonsarzt Thomas Steffen.
Daheim ist das Risiko am grössten
Basel-Stadt gehört zu jenen Kantonen, die bis heute alle Fälle so weit wie möglich zurückverfolgt haben. Nicht bei allen Angesteckten konnte man die Infektionsquelle herausfinden. Bei jenen, bei denen das gelang, zeigte sich, dass sie sich am häufigsten im familiären Umfeld angesteckt haben. Etwas weniger häufig fingen sich Corona-Betroffene das Virus im Spital, im Pflegeheim oder bei der Arbeit ein. Die Basler Daten sind wegen der überschaubaren Fallzahl zwar mit Vorsicht zu geniessen. Aber zahlreiche Studien vor allem aus dem asiatischen Raum zeichnen ein ähnliches Bild.
Das Infektionsrisiko ist demnach besonders gross, wenn man sich über längere Zeit und mit geringem Abstand mit einer erkrankten Person in einem geschlossenen Raum aufhält – zum Beispiel in der gleichen Wohnung oder im Zug. Über flüchtige Begegnungen auf der Strasse oder in einem Laden steckt man sich deutlich seltener an.
Schreien oder Singen ist gefährlicher als Reden
Laut Kantonsarzt Steffen sind zudem Veranstaltungen heikel. «Wie verschiedene Beispiele aus dem Ausland zeigen, können sie der Startpunkt von exponentiellen Krankheitsausbrüchen sein», sagt er. Dabei spiele es nicht so eine Rolle, ob die Anlässe drinnen oder draussen stattfänden. «Entscheidend scheinen hier die Anzahl Menschen, die Enge und die Nähe zu sein», sagt Steffen. Lautes Reden, Singen oder Schreien würde dabei die Ausbreitung des Virus «erheblich begünstigen».
Vor diesem Hintergrund macht es Sinn, dass der Bundesrat zuallererst ein Veranstaltungs- und später ein Versammlungsverbot verhängte und dieses so rasch nicht aufgehoben wird. An der Wirksamkeit des Social Distancing hingegen kommen gewisse Zweifel auf. Studien zeigten, dass Abstandhalten in geschlossenen Räumen, in denen sich viele Menschen aufhalten, nicht wirklich etwas nütze. Das sagte die britische Virologin Müge Cevik jüngst gegenüber der BBC. Auch mit Social Distancing sei das Ansteckungsrisiko dort relativ gross.