Politik statt Predigt, Geldschöpfung statt Gottes Schöpfung: Die reformierte Kirche in Volketswil ZH wurde im vergangenen Monat zur Abstimmungskampf-Arena für die Vollgeld-Initiative. Pfarrer Kristian Joob (44) warb bei seinen Schäfchen um jede Ja-Stimme. Und auch auf den Zürcher Strassen verfolgt der Gottesmann den Auftrag: den Menschen die frohe Botschaft der Vollgeld-Initianten näherzubringen.
Mit seinem politischen Engagement ist Pfarrer Joob ein Exot – aber nicht der einzige Kirchenvertreter, der die Initiative befürwortet. In einer Abstimmungszeitung, die diese Woche in jeden Haushalt geflattert ist, instrumentalisieren die Initianten den Papst für ihr Anliegen. Sie behaupten: Selbst der Pontifex würde Ja stimmen. Der katholische Theologe und Sozialethiker Thomas Wallimann-Sasaki (53) kritisiert diese PR-Masche. Er selbst, Präsident der Kommission Justitia et Pax, eines Gremiums der Schweizer Bischofskonferenz, hegt aber Sympathie für die Initiative. So hat Wallimann jüngst an einer Podiumsveranstaltung zur Vollgeld-Initiative teilgenommen – organisiert von einer evangelischen Stiftung.
«Wem vertrauen Sie mehr?»
Wallimann findet, dass Geld zuerst dem Menschen und nicht sich selbst dienen müsse. Das sei heute aber nicht der Fall. «Viele Menschen fühlen sich wie ein Rad in einer Maschine, die nicht mehr dem Wohl des Lebens dient.» Wer der Überzeugung sei, dass Vollgeld die Macht zum Wohle aller besser verteilt, werde der Initiative zustimmen. «Alle sollten sich jedoch fragen, wie die Macht jener, die Geld schöpfen können, demokratisch kontrolliert werden kann», sagt Wallimann. «Die Nationalbank ist letztlich der Bundesverfassung verpflichtet, die Geschäftsbanken ihrem wirtschaftlich legitimierten Gewinnprinzip. Wem vertrauen Sie mehr?»
Für Pfarrer Joob ist die Antwort klar. «Banken schauen nur auf sich und ihre Renditen, die Nationalbank hingegen auf das Gesamtwohl», ist er überzeugt. Beim Reformierten war es der Zwillingsbruder, der ihn von der Idee der Vollgeld-Initiative überzeugte. Dieser ist Wirtschaftsethiker und Mitinitiant des Volksbegehrens. «Bei der Initiative geht es um Gerechtigkeit», sagt Joob. Ein Wert, der für ihn als Christ zentral sei. Er vergleicht die Topbanker mit den Pharisäern: Auch diese seien eine kleine Elite gewesen, die das Volk in Schach gehalten und sich auf dessen Kosten bereichert habe.
Ein Ja für Gerechtigkeit
Mehr Gerechtigkeit: Das ist nicht nur das Hauptargument des Pfarrers, sondern auch ein Argument des nationalen Vollgeld-Komitees. Dass man sich aber gezielt an Kirchen und ihre Mitglieder wende, um um Stimmen zu werben, verneint Sprecher Raffael Wüthrich (32). «Wir sprechen alle Menschen mit Gerechtigkeitsempfinden an.»
Er verweist dabei auf die erste SRG-Abstimmungsumfrage , die ergab, dass eine Mehrheit der Befragten will, dass nur noch die Nationalbank Geld herstellt. Was er allerdings nicht sagt: Die Zahl derjenigen, die für die Initiative sind, ist deutlich kleiner – und weit weg von einer Mehrheit.
Nicht alle befürworten Polit-PR des Pfarrers
Doch zurück zu Pfarrer Joob. Es ist das erste Mal, dass er sich in seiner beruflichen Funktion dermassen für ein politisches Anliegen einsetzt. Das kommt nicht bei allen gut an. «Bei gewissen Gemeindemitgliedern ist mein Engagement gar nicht auf Gegenliebe gestossen», gibt er zu. «Sie finden, dass das Thema in der Kirche nichts zu suchen hat.»
Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.
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Das sieht der Pfarrer allerdings ganz anders. «Wenns um Gerechtigkeit geht, muss die Kirche Farbe bekennen. Gerade Christen sollten sich für die Initiative engagieren.»