Die wichtigste Quelle zur Meinungsbildung ist für viele Stimmbürger das Abstimmungsbüchlein. Deshalb schielen Politiker jeweils mit Argusaugen auf die «Erläuterungen des Bundesrats» und kritisieren diese oft. In der gestern zu Ende gegangenen Frühlingssession hat sich der Frust vieler entladen.
130 Parlamentarier haben innert knapp drei Wochen einen Vorstoss gegen «Behördenpropaganda» von Mauro Tuena (SVP) und Evi Allemann (SP) unterzeichnet. Im Vorfeld des letzten Abstimmungssonntags wurden sich die beiden auf Anfrage von BLICK einig: So kann es nicht mehr weitergehen.
Fraktionen wollen mitschreiben
Während Tuena die erleichterte Einbürgerung bekämpfte, wehrte sich Allemann gegen den Nationalstrassenfonds. In der Bundesbroschüre mit einer Auflage von über fünf Millionen Exemplaren durften ihre Parteien aber nicht einmal in Kurzform ihre Argumente darlegen.
Die einseitige Information ist bei vom Parlament beschlossenen Verfassungsänderungen üblich. Nur Initiativ- und Referendumskomitees dürfen heute ihre Haltung erläutern. Allemann und Tuena verlangen nun, dass unterlegene Fraktionen ihre Position künftig im Abstimmungsbüchlein darlegen können.
Bundesrats-Sprecher nimmt Forderung ernst
Von Roger Köppel (SVP) bis Cédric Wermuth (SP) unterstützen mehr als 60 Prozent der grossen Kammer die Offensive. Die Zahl der Mitunterzeichner von Vorstössen wird nicht gesondert registriert. Eine kurze Recherche der Parlamentsbibliothek ergibt aber: Die 130 Mitunterzeichner sind wohl Allzeitrekord!
Tuena und Allemann freuen sich über den immensen Support und glauben, dass die Bundeskanzlei aufgrund des Drucks nun von sich aus aktiv wird.
Vize-Bundeskanzler André Simonazzi sagte, dass er sich zum Vorstoss nicht äussere, da er den genauen Text nicht kenne. Das Anliegen werde aber ernst genommen und in die laufenden Diskussionen über eine Neugestaltung des Abstimmungsbüchleins einfliessen. Dabei soll unter anderem die Leseführung verbessert werden.