Ab nächster Woche geben die Befürworter einer zweiten Gotthard-Röhre Vollgas. 2,5 Millionen Haushalte in der ganzen Schweiz erhalten eine Abstimmungszeitung. Produziert vom Gewerbeverband (SGV), der an vorderster Front für ein Ja kämpft. Rund eine Million Franken kosten Herstellung und Vertrieb laut Insidern.
In der acht Seiten umfassenden Zeitung ziehen die Gotthard-Befürworter alle Register. Bringen viele Pro-Argumente, schüren aber auch Emotionen und Ängste.
Etwa mit der Gotthard-Katastrophe aus dem Jahr 2001. Elf Personen starben damals bei einer Frontalkollision. «Das Schreckensbild» habe sich ins «kollektive Gedächtnis» der Schweiz eingebrannt, schreibt der SGV – und argumentiert, Frontalkollisionen seien in zwei richtungsgetrennten Röhren praktisch ausgeschlossen. Der Urner alt SP-Regierungsrat und Ex-Gotthard-Rettungschef Alberik Ziegler warnt in der Zeitung: «Jeder Mensch, der im Gotthard-Tunnel ums Leben gekommen ist, ist ein Toter zu viel.»
Dass eine zweite Röhre die Sicherheit erhöhen würde, bezweifeln selbst die Gegner nicht. Doch der SGV treibt das Sicherheitsargument weiter, wittert neue tödliche Gefahren. So kommt in der Zeitung eine Erstfelder Mutter zu Wort, die «um die Sicherheit ihrer Familie bangt». Weil ohne zweite Röhre LKW neben ihrem Haus vorbeidonnerten. An 18 Stunden pro Tag.
Laut SGV leiden auch die Bauern. Weil ihre Böden bei einem Nein durch «überdimensionierte Verladeanlagen verschandelt» würden. Und Paolo Bianchi, Chef des bekannten Fischhandels-Unternehmens, warnt vor verdorbenem Fisch, wenn er diesen auf die Bahn verladen müsste. Für den SGV ist laut Verfassung garantiert, dass trotz zweiter Röhre nicht mehr Autos die Alpen queren. Genau dies glaubt die Mehrheit der Schweizer allerdings nicht, wie eine Umfrage zeigte (BLICK berichtete).
Bei der Billag-Abstimmung vor einem halben Jahr kämpfte der SGV mit harten Bandagen gegen Doris Leuthard – etwa mit Bildern von blutigen Fingern. Die Fehde ist Geschichte, die CVP-Bundesrätin liess sich von der Propaganda-Zeitung sogar interviewen.
SGV-Direktor Hans-Ulrich Bigler freut sich über den «breiten Support von Persönlichkeiten aus Sport, Kultur und Gesellschaft», wie er sagt. Gewinnen konnte er etwa Carla Del Ponte, ehemalige Chefanklägerin des internationalen Strafgerichtshofs.