Wegen Milliarden-Löchern in den Pensionskassen
Arbeitnehmer müssen bluten

Bei manchen Pensionskassen gibt es kein Halten mehr: Sie senken die Renten und bürden die Kosten den Angestellten auf.
Publiziert: 24.02.2017 um 11:12 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 15:21 Uhr
Pensionskassen senken die Renten und bürden die Kosten den Angestellten auf.
Foto: Insadco
Guido Schätti

Als der Ruag-Angestellte seinen Lohnausweis vom Januar bekam, traute er seinen Augen nicht: Über den Jahreswechsel war sein Lohn um 195 Franken geschrumpft – obwohl sein Job derselbe war wie zuvor.

Erst glaubte er an einen Irrtum, doch dann dämmerte ihm: Die Lohnkürzung hatte mit dem Brief zu tun, den ihm letztes Jahr seine Pensionskasse geschickt hatte. Der Stiftungsrat habe «weitere Schritte zur nachhaltigen finanziellen und strukturellen Stabilität der Vorsorge Ruag beschlossen», stand dort.

Der Lohn sinkt, die Rente schmilzt

Was es bedeutet, merkte der Angestellte erst jetzt: Sein Lohn sinkt um drei Prozent. Gleichzeitig schmilzt auch die Rente. Die Ruag-PK hat den Umwandlungssatz seit 2012 um rekordverdächtige 28,6 Prozent gesenkt:

«Der Fall Ruag ist ein Beispiel, wie sich eine PK einseitig auf Kosten der Arbeitnehmer saniert», sagt Urban Hodel (31), Geschäftsführer des gewerkschaftsnahen PK-Netzes. Zwar erhöht auch der Arbeitgeber seinen Beitrag um zwei Prozent, aber nur auf dem Papier. Denn im Gegenzug streicht der Rüstungskonzern die Überbrückungsrente für Frühpensionierungen und halbiert seinen Risikobeitrag. Damit holt er die zwei Prozent wieder herein.

Grosse Unterschiede bei Arbeitgebern

Fast alle grossen Pensionskassen streichen derzeit ihre Umwandlungssätze zusammen. Um die Folgen abzufedern, erhöhen sie die Sparbeiträge. Meist ziehen die Arbeitgeber zu gleichen Teilen mit. Manche schiessen sogar zusätzliches Kapital ein: die Swisscom 50 Millionen, Coop 60 Millionen, die Zürcher Kantonalbank sogar 70 Millionen Franken.

Viele Firmen leisteten freiwillig viel höhere Beträge als vorgeschrieben, sagt Martin Kaiser (50), Vorsorgespezialist beim Arbeitgeberverband: «Sie sind an einer guten Vorsorgelösung interessiert, um sich als attraktive Arbeitgeber zu positionieren.»

Doch andere knausern. Damit würden sie sich aus der Verantwortung stehlen, kritisiert Hodel: «Jahrelang haben die Arbeitgeber gepredigt, die zweite Säule sei der AHV überlegen. Nun stimmt das nicht mehr. Aber sie können die Risiken nicht einfach auf die Beschäftigten abwälzen, sondern müssen sich beteiligen.»

«Arbeitgeber haben leichtes Spiel»

Wo Renten ohne Kompensation gekürzt würden, stehe oft ein Versagen der Arbeitnehmervertreter im Stiftungsrat dahinter, sagt Hodel: «Sie müssen das Rentenniveau verteidigen und dürfen nicht eine rein technische Sichtweise vertreten.» Bei Firmen wie Ruag oder Manor seien die Arbeitnehmervertreter kadernah und ohne Verankerung bei einer Gewerkschaft: «Dann haben die Arbeitgebervertreter leichtes Spiel.»

Die Rentenschmelze ist längst nicht vorbei. Bis 2020 sinken die Umwandlungssätze vielerorts unter fünf Prozent. Urban Hodel fordert eine politische Reaktion: «Die 70 Franken mehr AHV, die der Ständerat vorschlägt, sind die einzig richtige Antwort auf die Probleme.»

Ein AHV-Ausbau sei der falsche Weg, besonders nach dem klaren Nein zur AHV-plus-Initiative, kontert Arbeitgebervertreter Kaiser: «Die Arbeitgeber sind bereit, einen Milliardenbeitrag zur Erhaltung des heutigen Rentenniveaus zu leisten.»

Die wichtigsten BVG-Begriffe

Sparbeiträge, Umwandlungssatz, Demografie: Das müssen Sie wissen, wenn Sie bei der Rentenschmelze mitreden wollen. 

Sparbeiträge: Arbeitgeber und -nehmer zahlen einen bestimmten Prozentsatz des Lohns in die Pensionskasse (PK) ein. Laut Berufsvorsorgegesetz (BVG) beträgt das Verhältnis 50 zu 50. Im Schnitt zahlen die Arbeitgeber 60 Prozent.   

Umwandlungssatz (UWS): Er gibt an, zu welchem Prozentsatz das Alterskapital nach der Pension in eine Rente umgewandelt wird. Beispiel: Bei einem UWS von 6,5 Prozent werfen 100'000 Franken Kapital 6500 Franken Rente jährlich ab.    

BVG-Obligatorium: Für Löhne bis 84'600 Franken gilt der gesetzliche UWS von 6,8 Prozent. Aber: Nur 15 Prozent der Versicherten sind im Obligatorium. Im Überobligatorium ist es erlaubt, den UWS unter 6,8 Prozent zu senken.   

Stiftungsrat: Laut Gesetz das geschäftsführende Organ der Vorsorgestiftung. Er setzt sich je zur Hälfte aus Vertretern von Arbeitgebern und -nehmern zusammen. Er legt unter anderem die Leistungsziele fest. 

Langlebigkeit und Zinsniveau: Die Menschen werden immer älter. Gleichzeitig sinken seit 25 Jahren die Zinsen. Das setzt die Pensionskassen unter Druck. Um Finanzlöcher zu vermeiden, senken sie den UWS und erhöhen die Sparbeiträge.

Sparbeiträge, Umwandlungssatz, Demografie: Das müssen Sie wissen, wenn Sie bei der Rentenschmelze mitreden wollen. 

Sparbeiträge: Arbeitgeber und -nehmer zahlen einen bestimmten Prozentsatz des Lohns in die Pensionskasse (PK) ein. Laut Berufsvorsorgegesetz (BVG) beträgt das Verhältnis 50 zu 50. Im Schnitt zahlen die Arbeitgeber 60 Prozent.   

Umwandlungssatz (UWS): Er gibt an, zu welchem Prozentsatz das Alterskapital nach der Pension in eine Rente umgewandelt wird. Beispiel: Bei einem UWS von 6,5 Prozent werfen 100'000 Franken Kapital 6500 Franken Rente jährlich ab.    

BVG-Obligatorium: Für Löhne bis 84'600 Franken gilt der gesetzliche UWS von 6,8 Prozent. Aber: Nur 15 Prozent der Versicherten sind im Obligatorium. Im Überobligatorium ist es erlaubt, den UWS unter 6,8 Prozent zu senken.   

Stiftungsrat: Laut Gesetz das geschäftsführende Organ der Vorsorgestiftung. Er setzt sich je zur Hälfte aus Vertretern von Arbeitgebern und -nehmern zusammen. Er legt unter anderem die Leistungsziele fest. 

Langlebigkeit und Zinsniveau: Die Menschen werden immer älter. Gleichzeitig sinken seit 25 Jahren die Zinsen. Das setzt die Pensionskassen unter Druck. Um Finanzlöcher zu vermeiden, senken sie den UWS und erhöhen die Sparbeiträge.

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