Das sagen die Befürworter
1. Die AHV reicht heute nicht mehr für die Existenzsicherung: Richtig
Die AHV-Vollrente liegt für Einzelpersonen zwischen 1175 und 2350 Franken. Für Ehepaare zwischen 2350 und 3525 Franken. Soll damit der Existenzbedarf angemessen gedeckt werden, wie es die Bundesverfassung verlangt, wird es knapp. Laut der Konferenz für Sozialhilfe (Skos) liegt die Armutsgrenze für Einzelpersonen bei 2600 Franken, für Paare bei 3700 Franken pro Monat.
2. Die AHV ist die sicherste Altersvorsorge: Falsch
Die AHV zahlt die Renten aus den Beiträgen der Arbeitnehmer. Das schützt sie vor Stürmen an den Finanzmärkten. Seit 2009 bewegen sich die Abschlusszahlen trotzdem nach unten. 2014 und 2015 gab die AHV mehr aus, als sie einnahm. Dieser Trend wird sich noch verschärfen. Grund: Das Verhältnis zwischen Zahlern und Rentnern verschlechtert sich.
3. AHV plus ist finanzierbar: Eher richtig
Laut Bundesrat entstehen bei Annahme der Initiative bis 2030 jährliche Mehrausgaben von 5,5 Milliarden Franken. Die Initianten schlagen dafür die Erhöhung von Lohnabzügen (je 0,4 Prozent für Arbeitnehmer und Arbeitgeber) vor. Ob das reicht, ist unklar. Sinkt die Zuwanderung und stagnieren die Löhne, müssen zusätzliche Mittel angezapft werden. Klar ist, dass die AHV auch ohne Ausbau ein zusätzliches Mehrwertsteuerprozent braucht.
4. Die Stärkung der AHV ist die billigste Variante zur Renten-Aufbesserung: Falsch
Einkommen bis gegen 150 000 Franken erhalten von der AHV tatsächlich am meisten zurück, wenn sie mehr einzahlen. Dennoch stimmt die Aussage so nicht. Denn die AHV wird über unbegrenzte Beiträge der Top-Verdiener und Steuern querfinanziert. AHV plus hätte höhere Bundesausgaben zur Folge, welche durch Sparen und höhere Steuern ausgeglichen werden müssen.
5. Die Pensionskassen-Renten sinken immer weiter: Eher richtig
Weil die Menschen immer älter werden und die Zinsen auf einem historischen Tief sind, sinken die monatlichen Auszahlungen aus der 2. Säule. Viele Kassen gleichen die sinkenden Renten über höhere Beiträge aber zumindest zum Teil aus. Für tiefe, im Obligatorium versicherte Einkommen sanken die Renten jedoch nicht.
Das sagen die Gegner
1. Pauschale Zusatzleistungen gefährden künftige Renten: Eher richtig
Die AHV hat in den vergangenen zwei Jahren mehr ausgegeben als eingenommen. Laut Bundesamt für Sozialversicherungen wird der AHV-Ausgleichsfonds, der diese Defizite jeweils kompensiert, bis 2030 leer sein. Korrekt ist auch, dass nach aktuellen Szenarien 2035 nur noch 2,1 Erwerbstätige einen Rentner finanzieren. Ohne Zusatzfinanzierung wird es also schwierig.
2. Der AHV-Ausbau geht auf Kosten der Jungen: Eher richtig
Die heute unter 50-Jährigen werden deutlich mehr für die Altersvorsorge bezahlen als jene kurz vor und in Pension. Auch in der zweiten Säule finanzieren die Aktiven die Rentner. Den Jungen bleibt nur die Hoffnung, dass sie dereinst auch in den Genuss von AHV plus kommen.
3. Heute sind mehr junge Familien von Armut betroffen als Rentner: Eher falsch
Rentner, die keine zweite Säule haben, sind stärker von Armut betroffen. Die Probleme der Pensionskassen, genügend Rendite zu erwirtschaften, könnten das Armutsrisiko noch verschärfen. Wer in der Schweiz einen Job hat, ist unterdurchschnittlich von Armut betroffen.
4. Von der Initiative profitieren die Falschen: Eher richtig
Theoretisch könnte der Zustupf für 88 Prozent der Bezüger von Ergänzungsleistungen (EL) ein Nullsummenspiel bedeuten. Die EL verringern sich bei ihnen um die höhere AHV-Rente. Jeder achte Bezüger könnte seine EL und damit auch den Anspruch auf zusätzliche Vergünstigungen ganz verlieren. Das Parlament könnte bei der Umsetzung aber für eine Besitzstandswahrung sorgen. Am anderen Ende gibt es auch reiche Rentner, die den Zustupf nicht nötig hätten. Einem Grossteil jedoch nützt die höhere Altersrente.
5. Jobverluste durch weitere Auslagerungen wären unvermeidlich: Falsch
Es gibt keinen zwingenden Automatismus zwischen höheren Lohnabzügen und Jobabbau. Zudem sanken die Lohnnebenkosten der Firmen in den letzten Jahren. Kommt hinzu, dass höhere Renten die Kaufkraft und somit den Konsum stärken. Das stärkt wiederum den Arbeitsmarkt.
Fazit
Die Finanzierung einer höheren AHV-Rente hängt von der Bevölkerungsentwicklung ab. Sinkt die Einwanderung und darbt die Wirtschaft, wird es schwierig. Der BLICK-Faktencheck zeigt, dass die Gegner in der Summe die besseren Argumente haben. Am Ende geht es um eine Glaubensfrage: Soll die AHV – zu welchem Preis auch immer – als soziales Umverteilungsinstrument gestärkt werden? Oder soll sie stabilisiert und zusätzlich die berufliche Vorsorge für die Zukunft gesichert werden? Letzteres will die Rentenreform 2020 des Bundesrats. Ihr Ziel ist die Sicherung des aktuellen Rentenniveaus dank umfassender Reform der ersten und zweiten Säule. Wird AHV plus angenommen, sinken die Chancen auf diese Reform der Altersvorsorge, die unbedingt nötig ist.
Blick on tour zur AHV-Initiative – Freitag, 23. September, Messe Zürich