Die Unternehmenssteuerreform (USR) III, der heilige Gral einer breiten Allianz von SVP bis hin zu GLP und BDP, steht nach neusten Umfragen auf der Kippe. Seit die Demoskopen in der Bevölkerung praktisch den Gleichstand von Befürwortern und Gegnern festgestellt haben, liegt eine politische Sensation in der Luft. Die Linke ist elektrisiert (siehe Artikel rechts), die Bürgerlichen fürchten ein Fiasko am kommenden Sonntag. Nicht einmal die geballte Finanzmacht von Verbänden und Parteien hat es vermocht, klare Verhältnisse zu schaffen.
Alarmstimmung bei den Freisinnigen
Noch einmal versammeln sich am Freitagmorgen die Spitzenvertreter der USR-Befürworter. Am Rande der Von-Wattenwyl-Gespräche wollen sie Einigkeit demonstrieren – beim Münster, im Herzen der Berner Altstadt, einer prächtigen Kulisse für ihren dramatischen letzten Aufruf an die Stimmbevölkerung. «Wir ziehen an einem Strick!», soll das symbolisieren. FDP-Chefin Petra Gössi (41, SZ): «Wird die Steuerreform abgelehnt, wird die SP machen, was sie immer macht: Sie wird die Steuern für alle erhöhen.» Bei einem Ja bleibe die Schweiz attraktiv, erklärt sie, die Steuereinnahmen seien langfristig gesichert.
Gössis Partei ist mit Gewerbeverband und Economiesuisse bei der Ja-Kampagne federführend. Doch im freisinnigen Parteisekretariat ist man «alarmiert».
CVP-Präsident Gerhard Pfister (54) dagegen gibt sich kühl: «Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. In den letzten Jahrzehnten haben wir zwei Steuerreformen gemacht, und die Gewinnsteuereinnahmen beim Bund haben sich in dieser Zeit mehr als vervierfacht», so der Zuger. Diese Einnahmen gelte es nun mit einem Ja zu sichern. «Nicht zuletzt, weil diese Steuereinnahmen unsere starken Sozialversicherungen, hochwertige Bildung und intakte Infrastruktur ermöglichen», meint Pfister.
Die SVP-Basis zieht nicht so recht mit
Die SVP greift wie gewohnt zum verbalen Zweihänder und versucht, ihre Schäfchen mit Gefühlsappellen an die Urne zu bewegen. «Während die Linke die Steuergelder des Mittelstandes mit vollen Händen für Asylwesen und Entwicklungshilfe ausgibt sowie den Staat ständig ausbaut», sagt SVP-Präsident Albert Rösti (49), «bekämpft sie die für den Erhalt unseres Werkplatzes dringend notwendige Reform.» Der Berner Oberländer gibt sich kämpferisch: «Diesen Angriff auf unseren Wohlstand werden wir mit einem klaren Ja an der Urne beantworten.»
Dabei ist es just die Basis der Volkspartei, die punkto USR III nicht so recht mitzieht. Economiesuisse hat in einer internen Untersuchung festgestellt, dass rund ein Drittel der Wähler der stärksten Partei nicht hinter der Vorlage steht. Eine Untersuchung des Instituts Gfs Bern im Auftrag der SRG zeigt, dass die Skepsis seit der letzten Befragung sogar noch zugenommen hat. Eine Woche vor der Entscheidung ist das kein gutes Omen. SVP-Stratege Christoph Blocher (76) zeigt sich angesichts der knappen Umfrage-Ergebnisse irritiert. Am Freitag betonte er in seiner Haussendung «Teleblocher», bei einem Ja zur Vorlage würden die Firmen seiner Familie schliesslich in Zukunft mehr Steuern zahlen.
Der Feldzug gegen die Elite rächt sich jetzt
Ratlosigkeit auch unter der Bundeshauskuppel. «Ich habe Mühe, meine Wähler von der Vorlage zu überzeugen», offenbarte ein prominentes Mitglied der SVP-Bundeshausfraktion gegenüber SonntagsBlick. Dabei hat die SVP jahrelang Ressentiments gegen «die Elite» im Land geschürt. Entsprechend wenig Gnade zeigt das Fussvolk nun für eine Vorlage, die doch als Projekt ebenjener Eliten wahrgenommen wird. Das Argument, dass auch der Mittelstand profitiert, verfängt nicht recht. Umso bitterer, dass sich mit alt Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf die Intimfeindin der Rechtspartei in den Abstimmungskampf eingemischt hat. Ihr Verdikt im BLICK, die Reform sei «aus der Balance», war Wasser auf die Mühlen der USR-Gegner.
Kommt hinzu, dass just Gössis FDP gemeinsam mit den Sozialdemokraten eine scharfe Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative torpedierte. Hier liegt auch der zweite und womöglich tiefere Grund für die Skepsis innerhalb der SVP-Wählerschaft. Jene Kräfte, die jetzt mit der Volkspartei für die USR III weibeln, haben gerade noch mitgeholfen, den grossen Triumph vom 9. Februar 2014 zu kippen.
Als «Verfassungsbrecher» beschimpfte der SVP-Fraktionschef gerade noch die gegnerischen Parlamentarier. Bei vielen seiner Anhänger hallen diese Worte nach. Die bürgerliche Übermacht dürfte daran noch lange zu beissen haben.