Heute in genau drei Wochen ist der Tag der Wahrheit. Dann wird klar sein, ob das Parlament eine neue Altersreform beschliesst oder vor einem Scherbenhaufen steht.
Zwei Lager stehen sich unversöhnlich gegenüber: auf der einen Seite das Mitte-links-Lager aus SP, CVP, Grünen und BDP, das im Ständerat eine Mehrheit hat; auf der anderen Seite das Mitte-rechts-Lager aus FDP, SVP und GLP, das den Nationalrat dominiert.
GLP als Zünglein an der Waage
Kern des Streitpunkts sind 70 Franken. Um diesen Betrag sollen gemäss Mitte-links-Lager die monatlichen AHV-Neurenten steigen. Das Mitte-rechts-Lager lehnt dies kategorisch ab.
Zünglein an der Waage könnte die siebenköpfige GLP-Fraktion sein. Nun legt deren Wortführer Thomas Weibel (ZH) erstmals die Strategie offen. Notfalls wird die Partei den 70 Franken zustimmen – wenn auch zähneknirschend: «ln der Schlussabstimmung die 70 Franken schlucken zu müssen, wäre für uns eine sehr bittere Pille. Aber wir dürfen die Vorlage nicht scheitern lassen.»
Auch Parteichef Martin Bäumle sagt: «Die Reform ist zu wichtig. Wir können uns ein Scheitern nicht leisten.»
Mitte-links-Vorteil in der Einigungskonferenz
Alle Zeichen deuten darauf hin, dass die grosse Kammer in der letzten Sessionswoche vor dem Entscheid stehen wird, den 70-Franken-Deal zu schlucken – oder die ganze Reform an die Wand zu fahren.
Dass die beiden Räte in der Differenzbereinigung doch eine goldene Kompromisslösung finden, ist unwahrscheinlich. Dann kommt die Einigungskonferenz zum Zug, und in dieser verfügt der Mitte-links-Block über 14 Stimmen, die Rechte nur über zwölf.
Obsiegt das Ständeratsmodell in der Einigungskonferenz, wird die GLP diesem auch im Nationalrat zum Durchbruch verhelfen.
Bewegung in der SVP
Doch nicht nur in der GLP gibt es Bewegung. Auch in der SVP werden immer mehr Stimmen laut, die sich dem Kurs ihrer Partei widersetzen. «Wir dürfen diese Reform auf keinen Fall scheitern lassen. Denn dann würden Lohnprozente und Mehrwertsteuer in der Zukunft deutlich erhöht werden müssen», sagt Nationalrat Ulrich Giezendanner. Die Folgen für kleine Unternehmen wären verheerend.
Auch die beiden Berner SVP-Bauern Andreas Aebi und Erich von Siebenthal sowie der Freiburger Pierre-André Page schlagen sich ins 70-Franken-Lager. «Wir dürfen das Geschäft nicht an die Wand fahren, sonst laufen wir in ein Debakel», sagt von Siebenthal. Und: «Mit Blick auf eine allfällige Abstimmung braucht es etwas Positives für die Stimmbürger, sonst passiert das Gleiche wie bei der Unternehmenssteuerreform. Die 70 Franken sind für mich deshalb eine Option.»
Gerade für kleinere Einkommen ohne Pensionskasse gelte hier haben oder nicht haben, so von Siebenthal.
Hoffen auf einen Kompromiss
Er hoffe zwar noch auf einen Kompromiss, sagt Giezendanner, «aber im Notfall werde ich auch der Ständeratslösung zustimmen, wenn es noch einige Retuschen gibt».
Auch GLP-Nationalrat Weibel ist weiterhin «zuversichtlich», dass noch ein Kompromiss gefunden werde. «Die Gespräche laufen auf Hochtouren», sagt er. «Die 70 Franken Zusatzrente für Neurentner ist kein Zückerchen, sondern Sprengstoff, weil eine Zweiklassen-AHV geschaffen wird.»