Swissmem-Präsident Hans Hess kämpft gegen Energiegesetz
«Das neue Gesetz verteuert den Strom für Unternehmen und Konsumenten»

Bei der Energiestrategie 2050 ist sich die Wirtschaft uneins. Swissmem-Präsident Hans Hess kämpft für einen Nein zum neuen Energiegesetz. Dieses baue auf Subventionen statt auf den Markt.
Publiziert: 20.03.2017 um 08:58 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 18:55 Uhr
Foto: KEY
Joël Widmer

Die Wirtschaft ist sich in der Frage der Energiestrategie 2050 uneinig wie selten. Der Gewerbeverband und der Bauernverband zum Beispiel sind für das neue Energiegesetz, Gastrosuisse oder Swissmem sind dagegen.

Heute tritt das «Wirtschaftskomitee gegen das Energiegesetz» vor die Medien. Im BLICK-Interview erklärt Swissmem-Präsident Hans Hess die Gründe für sein Nein.

Der Spitzenverband der Schweizer Wirtschaft Economiesuisse hat entschieden: Es gibt keine Parole zur Energiestrategie. Sie müssen enttäuscht sein über die Kolleginnen und Kollegen?
Hans Hess:
Selbstverständlich habe ich gehofft, dass sich Economiesuisse ins Lager der Gegner schlägt. Doch wenn es in einem Dachverband, der ja die konsolidierte Meinung der Mitgliederverbände vertreten soll, sehr unterschiedliche Meinungen gibt, dann sehe ich es auch ein, wenn man auf eine Parolenfassung verzichtet. Darum überlässt Economiesuisse den Vortritt den einzelnen Branchenverbänden, der Bevölkerung und der Politik ihre Argumente direkt darzulegen.

Hatten Sie Befürchtungen, es hätte auch eine Ja-Parole geben können?
Nein. Es gibt einfach sehr klare Befürworter dieser Energiestrategie und sehr dezidierte Gegner in unseren Reihen. Darum ist eine Stimmfreigabe nachvollziehbar.

Für die Gesamtwirtschaft ist somit die Energiestrategie verkraftbar, sonst hätte Economiesuisse eine Nein-Parole beschliessen müssen.
Nein. Economiesuisse hat keine Parole beschlossen, weil es eine starke Gruppe von Gegnern wie auch Befürwortern gibt. Man kann daraus nicht schliessen, dass Economiesuisse mit der Strategie einverstanden wäre. Swissmem und andere wichtige Verbände der Chemie-, Pharma- und Bauindustrie sind klar dagegen. Interessanterweise auch verschiedene grosse Mitglieder des Gewerbeverbandes, die sich mit der Ja-Parole ihres Dachverbandes falsch vertreten fühlen.

Warum sind Sie dagegen?
Die Energiestrategie gibt keine Antwort darauf, wie sich die Schweiz zukünftig – vor allem im Winter – mit Strom versorgen soll. Dazu kommt, dass das neue Gesetz den Strom für Unternehmen und Konsumenten verteuert. Das Gesetz baut auf Subvention statt auf Markt und sagt dennoch nicht, wie die gesteckten Ziele erreicht werden sollen. Man will den Stimmbürgern eine Katze im Sack verkaufen. Und dies alles, ohne dass die Versorgungssicherheit in der Schweiz mit Strom verbessert würde.

Ist das nicht eine sehr pessimistische Haltung? Immerhin haben die holländischen Eisenbahnen kürzlich verkündet, ihre Züge würden jetzt ausschliesslich mit Windkraft verkehren.
In der Schweiz nehmen wir die AKW schrittweise vom Netz. Das finden wir auch richtig. Auch, dass keine neuen AKW gebaut werden. Aber wir verlieren dadurch 38 Prozent des heute in der Schweiz produzierten Stroms. Das ist eine grosse Herausforderung. Die Schlüsselfragestellung ist: Wie können wir in der Schweiz die Strom-Versorgung auch dann sicherstellen, wenn es keine Sonne und keinen Wind hat? Die Antwort der Energiestrategie lautet: Import von Strom. Das finden wir eine sehr gefährliche Strategie. Schon in rund zehn Jahren könnten unsere beiden wichtigsten Stromlieferanten, Deutschland und Frankreich, in den Wintermonaten in die Lage kommen, selber Strom importieren zu müssen. Woher soll dann die Schweiz den Strom beziehen? Und ohne Strom läuft in der Schweiz nichts mehr.

Können dann nicht andere Länder und die erneuerbare Stromproduktion in die Bresche springen?
Wechselstrom lässt sich nicht über beliebig grosse Distanzen transportieren. Der Windstrom aus der Nordsee gelangt vielleicht bis nach Holland, aber sicher nicht bis in die Schweiz. Das ist technisch nicht möglich. Auch die Übertragungskapazitäten sind nicht vorhanden. Die Schweiz braucht darum Strom aus dem grenznahen Ausland. Darum sind nun mal Deutschland und Frankreich unsere grossen Stromlieferanten. Wenn die nicht mehr exportieren, soll mir mal einer erklären, woher wir dann Strom bekommen sollen.

Wie würden Sie die Stromverfügbarkeit sicherstellen, wenn wir die AKW abschalten?
Wir stimmen ja nicht über eine Energiestrategie nach den Vorstellungen von Swissmem ab. Sondern wir stimmen über das neue Energiegesetz ab, das der Bund vorschlägt. Wir sind klar gegen dieses Energiegesetz. Dies, weil es keine Antworten auf die Versorgungssicherheit liefert und nur den Strom verteuert. Ich verstehe auch nicht, weshalb wir die neuen erneuerbaren Energien weiter subventionieren sollen, wenn es schon heute bei gutem Wetter in Europa zu viel Strom aus Sonnenenergie hat, und der Strom gar nichts mehr kostet. Wir müssten ganz andere Themen diskutieren.

Woran denken Sie?
Etwa Themen, wie man Solarstrom saisonal speichern kann. Oder wie man Stromhandelsverträge mit dem Ausland abschliessen kann. Oder wie das künftige Marktdesign im Strommarkt aussehen soll. Oder die vollständige Öffnung des Strommarktes für alle Konsumenten. Aber nochmals: Wir werden unsere Vorstellungen zu einer guten Energiestrategie gerne später aufzeigen. Wir kämpfen aber jetzt erst einmal gegen das vorliegende Energiegesetz des Bundes, das wir ungenügend finden.

Mit ihnen sind noch die Branchen Bau, Gastro und Pharma und Chemie im Boot: Wie viel Geld werden Sie in den Abstimmungskampf investieren?
Das veröffentlichen wir nicht. Wir werden diese Abstimmung auch nicht mit Geld gewinnen können. Wir sind  kein reicher Verband. Wir zählen darauf, dass man unsere Argumente hört und ernst nimmt. Und die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger merken, dass sie bei einem Ja die Katze im Sack kaufen würden.

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