Der Ständerat hat die neue Strassen-Finanzarchitektur bereits gutgeheissen. Im Nationalrat stiess die Fonds-Lösung ebenfalls auf breite Zustimmung. SP und Grüne verlangten vergeblich, die Vorlage an den Bundesrat zurückzuweisen. Ihrer Meinung nach fokussiert diese zu stark auf Beton und zu wenig auf intelligente Technologien und Konzepte wie Mobility Pricing. «Die Probleme von morgen können nicht mit Rezepten von gestern gelöst werden», sagte Grünen-Präsidentin Regula Rytz (BE).
Der Mehrheit war es wichtiger, die Grabenkämpfe zwischen Strasse und Schiene zu beenden. Als Gegenstück zum Bahninfrastruktur-Fonds (BIF) soll darum ein Fonds für die Strasse geschaffen werden. Dieser ist unbefristet und sollte dank neuer Einnahmequellen ausreichend dotiert sein, um den Substanzerhalt, die Engpassbeseitigung und die Fertigstellung des Nationalstrassennetzes nahezu vollständig zu finanzieren.
Ein Teil der zusätzlichen Mittel wird durch eine Erhöhung des Benzinpreises aufgebracht. Der Nationalrat folgte dem Ständerat und beschloss, den Mineralölsteuer-Zuschlag um 4 Rappen auf 34 Rappen pro Liter zu erhöhen.
Links-grün wollte den Benzinpreis wie vom Bundesrat vorgeschlagen um 6 Rappen anheben. Allein um die Teuerung auszugleichen, würde es wesentlich mehr brauchen, sagte Evi Allemann (SP/BE). Die SVP hingegen sträubte sich gegen jede Benzinpreiserhöhung. Sonst gingen der Tanktourismus und die Einnahmen daraus noch weiter zurück, warnte Ulrich Giezendanner (SVP/AG).
Mit zusätzlichen 4 Rappen bringt die Benzinpreis-Erhöhung dem Fonds rund 100 Millionen Franken weniger ein als vom Bundesrat veranschlagt. Als Ausgleich hatte der Ständerat beschlossen, dem NAF 5 Prozent der Mineralölsteuer zukommen zu lassen. Das sind rund 125 Millionen Franken pro Jahr. Dieses Geld fliesst heute in die Bundeskasse.
Der Nationalrat ist der kleinen Kammer gefolgt, gegen den Willen von SP, Grünen und GLP. Alleman sprach von einer «happigen Umverteilung». Auch Verkehrsministerin Doris Leuthard warnte davor, die Bundeskasse über Gebühr zu strapazieren. Den Preis dafür zahlten nämlich die Landwirtschaft, die Bildung oder die Armee.
Nach dem Willen der Räte fliesst aber noch viel mehr Geld aus der Bundeskasse in den NAF. Mit weiteren 5 Prozent der Mineralölsteuer wird die Umsetzung des Netzbeschlusses finanziert. Mit diesem werden 400 Kilometer Strasse von den Kantonen auf den Bund übertragen. Der Netzbeschluss war 2013 mit der Vignetten-Abstimmung gescheitert, nun wird er in den NAF aufgenommen. Die Kantone beteiligen sich mit 60 Millionen Franken an der Umsetzung.
In den NAF fliessen ausserdem 375 Millionen Franken aus der Importsteuer auf Autos, die heute der Bundeskasse zukommen. Unter dem Strich leistet diese also rund 650 Millionen Franken an den NAF. Weitere Einnahmequellen sind der Mineralölsteuer-Zuschlag, die Vignetten-Einnahmen und eine neue Pauschalabgabe auf Elektrofahrzeuge. Insgesamt stehen für den NAF rund 3 Milliarden Franken zur Verfügung.
Parallel zum NAF wird die Spezialfinanzierung Strassenverkehr weitergeführt. Daraus leistet der Bund künftig Zahlungen an die Kantone im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr, etwa für Hauptstrassen, Strassen in Berg- und Randregionen oder zum Schutz vor Naturgefahren. Die so genannte Strassenkasse wird mit jener Hälfte der Mineralölsteuer-Einnahmen alimentiert, die heute schon für die Strasse verwendet wird.
Die grossen Linien dieses Gesamtpakets tastete der Nationalrat nicht an. Gestritten wurde aber über die Modalitäten des NAF und dessen Finanzierung. So verweigerte der Nationalrat dem Bundesrat die Kompetenz, die Benzinsteuer bei Bedarf der Teuerung anzupassen. Der Anteil des NAF an den Mineralölsteuer-Einnahmen darf nicht gekürzt werden, sondern beträgt fix 60 Prozent.
Der Mehrheit ging es dabei um Planungssicherheit. Aus dem gleichen Grund will der Nationalrat verhindern, dass die Einnahmen aus der Automobilsteuer im Rahmen von Sparmassnahmen für andere Zwecke als für den NAF verwendet werden können. CVP-Sprecher Thomas Ammann (SG) erinnerte daran, dass es der Sinn jeder Fonds-Lösung sei, die Mittel der «Willkür der Finanzplanung» zu entziehen.
Zu reden gab die Verwendung der Mittel. Die Verkehrskommission wollte den NAF konsequent auf die Strasse ausrichten. Es brauche eine klare Abgrenzung, sagte Kommissionssprecher Fabio Regazzi (CVP/TI). Durchgesetzt hat sich jedoch der Vorschlag des Bundesrats, den Mitteleinsatz auf eine Gesamtschau des Verkehrs abzustützen. Auch sollen die Mittel in den Agglomerationen nicht allein für Strassen-Ausbauten eingesetzt werden, wie es die Kommission verlangt hatte.
Die Ausbauprojekte im Nationalstrassennetz hat der Bundesrat im Strategischen Entwicklungsprogramm Strasse (STEP) dargestellt. Die erste Tranche bis 2030 umfasst Projekte für 6,5 Milliarden Franken. Der Bundesrat will das STEP alle vier Jahre aktualisieren.
Die NAF-Vorlage geht nun wieder an den Ständerat. Zusammen mit dieser hat der Nationalrat eine Motion der ständerätlichen Verkehrskommission überwiesen. Der Bundesrat wird damit beauftragt, bis Ende 2017 eine Vorlage zur Einführung der E-Vignette vorzulegen. Nadja Pierens (SVP/BE) Warnung vor «totaler Überwachung» und «mittelalterlichen Wegzöllen» verhallte ungehört.