Das Nein zur Atomausstiegs-Initiative hat die Gegner der Energiestrategie 2050 in der FDP beflügelt. Obwohl sich die FDP-Fraktion deutlich hinter die Vorlage gestellt hatte, präsentierte sich die FDP als energiepolitische Chaostruppe (BLICK berichtete).
BLICK: Bei der Energiestrategie 2050 hinterlässt die FDP den Eindruck einer Chaostruppe. Hat Ihre Parteichefin Petra Gössi die Zügel zu sehr schleifen lassen, weil sie selber gegen die Vorlage ist?
Ruedi Noser: Die Partei hätte am Sonntag sicher klarer Stellung nehmen können. Stand heute ist aber klar: Die Fraktion steht mit deutlicher Mehrheit hinter der Vorlage. Das Referendum wird jetzt und auch später nicht unterstützt.
Keine Angst, dass Ihnen die Delegiertenversammlung noch einen Strich durch die Rechnung macht?
Natürlich wird die Delegiertenversammlung den definitiven Entscheid fällen, falls das Referendum zustande kommt. Doch ich habe keine Zweifel: Der Freisinn wird diese Vorlage mittragen.
Am Abstimmungssonntag schien es aber, als stelle sich die FDP gegen die Energiestrategie.
Diesen Eindruck haben vielleicht einzelne Exponenten erweckt, aber sicher nicht die Fraktion.
Die Fraktion hat aber Christian Wasserfallen als vehementem Gegner der Energiestrategie die freisinnige Deutungshoheit überlassen. Die Partei müsste ihn längst zurückpfeifen.
Er hat diese Deutungshoheit sicher nicht. Er vertritt eine Minderheitsmeinung der Partei und der Fraktion.
Sollte er als Parteivize nicht die Parteimeinung vertreten?
Diese Frage müssen Sie Herrn Wasserfallen stellen.
Er warnt vor einem «massiven Subventionsmonster», das man «aus freisinniger Sicht nur ablehnen» könne. Eine Kritik an Befürwortern wie Ihnen.
Natürlich kann ich mir als Freisinniger auch andere Lösungen vorstellen. Aber die Energiestrategie 2050 ist ein Kompromiss, in welchem wir einige wichtige Punkte einbringen konnten.
Zum Beispiel?
Besonders wichtig ist für mich die Festlegung von Effizienzzielen. Hinzu kommen gewisse Befristungen, wie etwa für die kostendeckende Einspeisevergütung KEV. Zudem wird die Energiestrategie auch in den nächsten Jahren immer wieder Anpassungen erfahren.
Mit der Vorlage wird auch der Atomausstieg besiegelt. Wollen Sie das wirklich?Korrekterweise werden keine neuen AKW mehr gebaut. Es zeichnet sich derzeit auch keine neue Technologie in diesem Bereich ab. Sollte das in 30 oder 40 Jahren der Fall sein, kann das Gesetz auch wieder angepasst werden.
Die bestehenden AKW dürfen so lange laufen, wie sie als sicher gelten. Bleiben sie tatsächlich so lange in Betrieb, oder gehen sie aus wirtschaftlichen Gründen früher vom Netz, wie das AKW Mühleberg?
Die Subventionen für erneuerbare Energien sind in Europa zwar unter Druck. Aber im heutigen Markt wird man mit der Atomenergie mittelfristig kein Geld verdienen.
Dann könnte der Ausstieg rascher stattfinden als erwartet.
Prognosen sind schwierig, aber es würde mich nicht überraschen.