Schawinski rechnet ab
«Die SRG kann sich nur retten, wenn sie Millionen spart»

Der Medienpionier benennt die Schuldigen für die SRG-Misere. Im BLICK fordert er: Jetzt müssen TV und Radio abspecken.
Publiziert: 05.01.2018 um 23:51 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 15:50 Uhr
Reza Rafi

Roger Schawinski steigert bei Schweizerinnen und Schweizern verlässlich den Blutdruck: Der Zürcher Medienpionier («Kassensturz», Radio 24, Tele Züri) polarisiert auch mit 72 Jahren. Wie jetzt wieder: Zwei Monate vor der No-Billag-Abstimmung katapultiert er sich mit einem Buch («No Billag?») zum Thema ins Geschehen. Und provoziert alle Seiten. Im Werk, das heute auf den Markt kommt, geht er der Frage nach, wieso die «Bieridee» einiger libertärer Heisssporne die Schweiz in Atem hält. Kurzgefasst lautet seine Antwort: Gegen die SRG herrscht ein Unbehagen, weil sie zum Koloss geworden ist. Daran schuld seien Bundesrat, Parlamentarier, Verlage – und die SRG selber. Nur er, Roger Schawinski, habe damals mit Tele 24 den Kampf gegen das Monopol aufgenommen. Alleine. Und vergeblich.

«Ich sehe es als persönliche Verpflichtung»

Für Schawinski ist es der wichtigste Urnengang seit Jahrzehnten, wichtiger als jener über den EWR 1992: «No Billag kann die Schweiz stärker verändern als jede andere Abstimmung seit Generationen.» Der Medienmacher, ganz pathetisch: «Ich sehe es als persönliche Verpflichtung, die mutwillige Zerstörung einer nicht ersetzbaren Institution verhindern zu helfen.» Für die 175 Seiten, die er in viereinhalb Wochen verfasste, verzichtet er auf ein Honorar.

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Radiounternehmer und Buchautor Roger Schawinski rechnet in seinem Buch mit der Polit- und SRG-Aristokratie ab.
Foto: Pascal Mora

Die Analyse ist wenig schmeichelhaft für das öffentlich-rechtliche Medienhaus, auf dessen Lohnliste auch Talkmaster Schawinski steht: Die Führung um Generaldirektor Gilles Marchand (55) und Präsident Jean-Michel Cina (54)? Schwach: «Die SRG hat an ihrer Spitze zurzeit keine erfahrenen Aushängeschilder. Sie ist für ihren wichtigsten Kampf personell schlecht aufgestellt.»

«Hilflose Augenwischerei»

Das Zuschauerformat «Hallo SRF» von Superdirektor Ruedi Matter (64)? Eine «hilflose Augenwischerei, mit der man Publikumsnähe bloss simulierte». Eine professionelle Programmplanung müsse, so Ex-Sat1-Chef Schawinski, «anderen Kriterien folgen als der Umsetzung der Einzelkritik zufällig ausgewählter Laien». Die Vereinsstruktur der SRG? Auch dies sei «reine Augenwischerei». Die interne Stimmung beschreibt der freie SRF-Mitarbeiter Schawinski so: Seine Kollegen seien «mit jedem Tag aufgewühlter und verunsicherter, weil sie sich angesichts der gewaltigen Bedrohung ihrer Jobs und ihrer Firma wie kastriert fühlen».

Und Medienministerin Doris Leuthard (54)? Die «Sonnenkönigin» habe aus Angst vor einer Niederlage am 4. März den «knackigen Discount-Gebührenpreis» von 365 Franken pro Jahr in Aussicht gestellt. «Bei einem Ja ginge sie in die Geschichtsbücher als die Hauptverantwortliche für dieses gewaltige Erdbeben im Mediensystem ein.»

Die schwersten Fehler habe das Medienhaus in der Vergangenheit gemacht: «Die DNA der SRG ist seit Jahrzehnten durchsetzt vom Streben nach Macht.» Vor allem Ex-SRG-Boss und Schawinski-Intimfeind Armin Walpen (69) habe die Lancierung eines privaten journalistischen TV-Programms auf nationaler Ebene verhindert. Bis in die 90er-Jahre wäre dies laut Schawinski noch möglich gewesen. Aber «die machtbewussten SRG-Apparatschiks» hätten auf stur geschaltet. Ebenso die Politiker. «Viele fürchteten wohl nicht ganz grundlos, nicht mehr ins Studio geladen zu werden.»

«Er bot sich den SRG-Gegnern als Hassfigur an»

Als «Prügelknabe» fungiert Gilles Marchands Vorgänger und Schawinski-Freund Roger de Weck (64): «Er bot sich den SRG-Gegnern als Hassfigur an. Seine patrizische Herkunft und sein intellektuelles, auf manche Leute etwas distinguiert wirkendes Auftreten signalisierten mehr elitäre Distanz als Volksnähe.»

Mitschuld seien die Verlage, die via Gebührensplitting für ihre Lokalsender von der Billag profitierten: Deren Haltung erweise sich heute «als totales Versagen».

Erwähnt wird auch Leuthards Vorgänger Moritz Leuenberger (71): Als Medienminister habe er die Privaten wegen ihrer boulevardesken Inhalte kritisiert – derselbe Leuenberger trete heute im Zürcher Boulevardtheater auf. «Eine seiner Glanznummern: Er imitiert einen leicht vertrottelten Bundesrat Schneider-Ammann und ist dabei beängstigend nah am Original.»

Im Stich gelassen fühlt sich Schawinski von SVP-Patron Christoph Blocher (77): «Zwar befürwortete er meine Aktivitäten und sprach mir für meinen unternehmerischen Mut wiederholt gut zu, aber damit hatte es sich bereits.»

«Damit könnte man das Tafelsilber retten»

Der SRG bleibe nur ein Mittel, um ein Debakel zu verhindern: Das Unternehmen müsse substanziell sparen. Das Potenzial sieht Radio1-Besitzer Schawinski – natürlich – vor allem beim Radio: SRF2-Kultur sei eine «geschützte Werkstatt». Mit rund 20 Millionen Franken sei SRF2 der «mit Abstand teuerste Radiosender mit einem sehr bescheidenen Marktanteil von 3,5 Prozent». Radio SRF1 und SRF3, die sich laut Schawinski nicht mehr gross unterscheiden, könne man zusammenlegen; «das würde eine Ersparnis von etwa 15 Millionen Franken bringen.» Dazu solle SRF im Internet zurückkrebsen: «Die Online-Abteilung wurde in den letzten Jahren massiv aufgeblasen.» Schawinskis Rezept: «Wenn solche Massnahmen direkt nach einem möglichen Nein bei No Billag an die Hand genommen würden, könnte die SRG wegen guten Betragens mit einem 300-Franken-Gegenvorschlag zur heimtückischen 200-Franken-Initiative vielleicht durchkommen. Damit könnte man das Tafelsilber retten.»

Schawinski wagt sich sogar ins Hellseher-Business vor: Bei einem Ja am 4. März «wird in den Räumlichkeiten der SRG Panik herrschen», sagt er voraus. «Bei ‹10 vor 10› kann Moderatorin Susanne Wille am Schluss eines Live-Interviews nur unter grössten Anstrengungen ihre Tränen zurückhalten. Christoph Blocher erklärt in einer Sonderausgabe von Teleblocher, dass er Ideen prüfe, um auch in Zukunft ein möglichst optimales Schweizer TV- und Radioangebot zu sichern.»

Vom Kritiker zum Verteidiger

Kaum einer hat die Schweizer Medienlandschaft so stark geprägt wie Roger Schawinski (72). Mit dem Privatsender «Radio 24» brachte er Anfang der 80er-Jahre das Radio-Monopol der SRG zum Einsturz. Gleiches plante er später mit «Tele 24» im TV-Bereich, scheiterte aber. Schawinski verkaufte sein Medienimperium und wurde Chef des deutschen Privatsenders Sat 1. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz gründete er «Radio 1» und wurde SRF-Mitarbeiter: Seit 2011 moderiert er die Talk-Show «Schawinski». In seinem Buch «No Billag?» lehnt er die Initiative ab, kritisiert aber gleichzeitig die SRG scharf. Morgen Sonntag findet im Restaurant Metropol in Zürich die Buchpremiere statt. Der Zürcher Ex-SRF-Mann und Stadtrat Filippo Leutenegger interviewt Schawinski. Anmeldung hier.

«No Billag?» - Schawinskis neues Buch zur Abstimmung.
«No Billag?» - Schawinskis neues Buch zur Abstimmung.

Kaum einer hat die Schweizer Medienlandschaft so stark geprägt wie Roger Schawinski (72). Mit dem Privatsender «Radio 24» brachte er Anfang der 80er-Jahre das Radio-Monopol der SRG zum Einsturz. Gleiches plante er später mit «Tele 24» im TV-Bereich, scheiterte aber. Schawinski verkaufte sein Medienimperium und wurde Chef des deutschen Privatsenders Sat 1. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz gründete er «Radio 1» und wurde SRF-Mitarbeiter: Seit 2011 moderiert er die Talk-Show «Schawinski». In seinem Buch «No Billag?» lehnt er die Initiative ab, kritisiert aber gleichzeitig die SRG scharf. Morgen Sonntag findet im Restaurant Metropol in Zürich die Buchpremiere statt. Der Zürcher Ex-SRF-Mann und Stadtrat Filippo Leutenegger interviewt Schawinski. Anmeldung hier.

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