No Billag: Junge schauen lieber Youtube
Die Senioren retten die SRG!

Das einstige Leitmedium verliert massiv an Zuschauern. Wohin sie gehen, ist völlig unklar.
Publiziert: 06.01.2018 um 23:42 Uhr
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Aktualisiert: 07.08.2020 um 16:14 Uhr
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Während die Jungen lieber auf Youtube sind, bleiben die Senioren vor dem TV sitzen. (Symbolbild)
Foto: GETTY IMAGES
Moritz Kaufmann

Die No-Billag-Initiative ist keine blosse Abstimmung mehr. Sie markiert eine Zeitenwende. Medienpionier Roger Schawinski (72) schreibt in seinem neuen Buch, die Vorlage sei wichtiger als der EWR-Entscheid. Der war 1992. Zu jener Zeit war das Fernsehen noch mit Abstand Lieblingsmedium Nummer eins der Schweizer. Tempi passati: Die Vorherrschaft der Flimmerkiste ist zu Ende.

Zwar geht es bei No Billag auch um die Radiosender. Doch der Streit ums Fernsehen dominiert die Diskussion. Und dürfte die Abstimmung entscheiden.

15- bis 29-Jährige sitzen nicht mal mehr eine Stunde vorm TV

Statistiken zeigen, warum das so ist: In den Nuller-Jahren schaute der Durchschnittsschweizer noch 145 Minuten pro Tag in die Röhre, wie Zahlen des Instituts Mediapulse belegen. Seit 2009 geht es steil bergab. Zuletzt waren es noch 124 Minuten.

Dabei tut sich ein massiver Generationengraben auf: Die Altersgruppe 60 plus bleibt dem Fernsehen treu. Sie sitzt an Wochenenden fast vier Stunden pro Tag vor dem Bildschirm. Und die 15- bis 29-Jährigen? Nicht einmal mehr eine Stunde. Nächste Woche erscheinen die neusten Zahlen. Sie bestätigen laut Mediapulse den Trend. Den Niedergang des Fernsehens spüren auch die Elektronik-Märkte: 2008 betrug der Umsatz mit TV-Geräten in der Schweiz noch über eine Milliarde Franken pro Jahr. Inzwischen hat er sich nahezu halbiert.

«Die junge Generation hat von zwei Dingen zu wenig: Geld und Zeit. Optionen hat sie unendlich», sagt Vinzenz Hediger (48). Der Schweizer Filmwissenschaftler arbeitet an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main (D). Fernsehen mag in der Krise sein – Videos sind es nicht. «Eigentlich wird viel mehr Fernsehen geschaut als früher. Aber die Zuschauer verteilen sich auf viel mehr Kanäle.» Es habe eine Multiplikation der Plattformen stattgefunden. Hediger: «Über Jahrzehnte tat sich relativ wenig. Erst gab es Kino, dann kam das Fernsehen dazu, später Video, Kabelfernsehen und so weiter.»

Fünf Prozent aller Schweizer Haushalte haben ein Netflix-Abo

Einer dieser neuen Kanäle ist Netflix. Um den amerikanischen Unterhaltungskonzern ist ein Hype entstanden. Seit 2014 auch in der Schweiz. Abonnenten erhalten gegen eine monatliche Gebühr (ab Fr. 11.90) Zugriff auf Hunderte Filme und Serien. Werbefrei!

Das Konzept begeistert Serienjunkies und No-Billag-Befürworter gleichermassen, weltweit rund 110 Millionen Kunden. Wie viele es in der Schweiz sind, darüber schweigt sich Netflix aus. Anfragen von SonntagsBlick bleiben unbeantwortet. Laut Insidern läuft es für Netflix nicht wie gewünscht. Laut Schätzungen haben gerade fünf Prozent aller Schweizer Haushalte ein Netflix-Abo.

Netflix ist Nische, nicht Massenphänomen. Ganz anders als der Videokanal Youtube, der zum Google-Imperium gehört. Auch Youtube veröffentlicht keine konkreten Zahlen. Doch die Plattform gilt bei den Jungen als das dominante Internetportal schlechthin. Pro Minute werden 300 Stunden Videomaterial hochgeladen. Zuschauen kann jeder – zum Nulltarif!

«65 Prozent aller Internet-Nutzer schauen Videos», sagt Moritz Büchi (29), der an der Uni Zürich den Medienwandel erforscht. Auch hier sind die Unterschiede zwischen Jung und Alt riesig: Nach den Erkenntnissen des Medienwissenschaftlers konsumieren 100 Prozent aller 14- bis 19-Jährigen Videos per Internet, von den über 70-Jährigen hingegen nur 27 Prozent. Bei denen dominiert nach wie vor das Fernsehen.

Der langjährige SRF-Journalist Diego Yanez (59), der heute die Journalistenschule MAZ leitet und im Komitee «No Sendeschluss» kämpft, wehrt sich vehement gegen die Behauptung, das SRF sei ein Sender für Alte. «Abgesehen von wenigen Ausnahmen ist es ja nicht so, dass Junge kein SRF konsumieren.» Auch sie liebten Spitzentennis, den «Bestatter» oder «10 vor 10».

Senioren könnten SRG retten

Und doch: Wenn es eine Altersgruppe geben sollte, welche die SRG retten wird, sind es die Senioren. Sie schauen mit Abstand am meisten Fernsehen. Und sie gehen überdurchschnittlich häufig an die Urne. Laut dem Institut Fors der Uni Lausanne stimmen über 60-Jährige doppelt so häufig ab wie die Altersgruppe 18 bis 39. Die neue Kampagne «No Billag, no Culture» setzt daher bewusst auf bekannte, ältere Gesichter wie das der Schauspielerin Heidi Maria Glössner (74).

Die Chancen stehen also gut, dass die Generation SRG am 4. März noch einmal die Oberhand behält. Die Frage ist: Wie lange wird es so bleiben?

Foto: Ringier Infrografics
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Schauspielerin Heidi Maria Glössner ist gegen die No-Billag-Initiative.
Foto: SABINE WUNDERLIN
5000 Kulturschaffende bekämpfen No Billag

Sie stossen eher selten ins gleiche Horn. Doch jetzt haben sie einen gemeinsamen Gegner: Die No-Billag-Initiative. Heute treten knapp 5000 Schweizer Künstler und Kulturschaffende an die Öffentlichkeit, um das Schweizer Fernsehen zu retten. Sie sind überzeugt: «Die Initiative will die SRG zerschlagen.» Für die Kampagne «No Billag, no Culture» haben sich nicht weniger als 56 Verbände zusammengeschlossen – von Autorinnen und Autoren der Schweiz (ADS) über die IG Akkordeon bis zu Zauberlaterne, dem Filmklub für Kinder. Kabarettist Emil Steinberger stellt sein Gesicht ebenso zur Verfügung wie Schriftsteller Martin Suter, DJ Antoine (42) und Volksmusikstar Melanie Oesch (30). SRG-Sender geben vielen Schweizer Kulturschaffenden regelmässig eine Plattform. Jetzt danken sie es ihnen in Form von politischer Unterstützung. Die No-Billag-Initiative gefährde die kulturelle Tradition der Schweiz, schreiben die Künstler: «Von Volksmusik bis Techno, vom «Bestatter» bis zum Spielfilm, vom Krimi bis zum Humorfestival». Zwar finden auch die teilnehmenden Stars, die SRG sei «nicht perfekt», und man müsse über den Service public diskutieren. An dieser Diskussion wollen sich die Künstler beteiligen. Dafür brauche es aber einen Partner mit öffentlichem Auftrag.

Sie stossen eher selten ins gleiche Horn. Doch jetzt haben sie einen gemeinsamen Gegner: Die No-Billag-Initiative. Heute treten knapp 5000 Schweizer Künstler und Kulturschaffende an die Öffentlichkeit, um das Schweizer Fernsehen zu retten. Sie sind überzeugt: «Die Initiative will die SRG zerschlagen.» Für die Kampagne «No Billag, no Culture» haben sich nicht weniger als 56 Verbände zusammengeschlossen – von Autorinnen und Autoren der Schweiz (ADS) über die IG Akkordeon bis zu Zauberlaterne, dem Filmklub für Kinder. Kabarettist Emil Steinberger stellt sein Gesicht ebenso zur Verfügung wie Schriftsteller Martin Suter, DJ Antoine (42) und Volksmusikstar Melanie Oesch (30). SRG-Sender geben vielen Schweizer Kulturschaffenden regelmässig eine Plattform. Jetzt danken sie es ihnen in Form von politischer Unterstützung. Die No-Billag-Initiative gefährde die kulturelle Tradition der Schweiz, schreiben die Künstler: «Von Volksmusik bis Techno, vom «Bestatter» bis zum Spielfilm, vom Krimi bis zum Humorfestival». Zwar finden auch die teilnehmenden Stars, die SRG sei «nicht perfekt», und man müsse über den Service public diskutieren. An dieser Diskussion wollen sich die Künstler beteiligen. Dafür brauche es aber einen Partner mit öffentlichem Auftrag.

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