Neuer Zoff um die Unternehmenssteuerreform
Genossen sauer auf SGV-Bigler

Der Schweizerische Gewerbeverband unter Direktor Hans-Ulrich Bigler präsentiert drei SP-Ständeräte als Unterstützer der USR III. Nur: Alle drei sind gegen die Reform. Jetzt fordern sie eine Entschuldigung.
Publiziert: 11.01.2017 um 19:23 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 16:33 Uhr
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Gegner als Befürworter ausgestellt: Ausriss der Abstimmungszeitung des Schweizerischen Gewerbeverbandes.
Foto: zVg Schweizerischer Gewerbeverband
Sermîn Faki

Der Abstimmungskampf um die Unternehmenssteuerreform III (USR III) spitzt sich zu. Gestern griff der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) die Gegner der Reform scharf an: «Die Kampagne des Nein-Komitees basiert auf einem Konstrukt von Falschaussagen und ist eine direkte Irreführung der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger», heisst es in der Medienmitteilung. Die Grenze zwischen Zuspitzung und Verbreitung von Lügen sei definitiv überschritten.

SGV präsentiert Gegner als Befürworter 

Diesen Ball spielen die Gegner nun direkt wieder zurück. Denn gleichzeitig zum Communiqué verschickte der SGV seine «Gewerbezeitung» mit einer Spezialbeilage zur Abstimmung vom 12. Februar. Darin sind vier prominente SP-Ständeräte als Befürworter der Reform aufgelistet: Daniel Jositsch (ZH), Pascale Bruderer (AG), Hans Stöckli (BE) und Claude Janiak (BL). 

Nur: Von diesen vieren bekennt sich lediglich einer zur Vorlage – Daniel Jositsch. Bruderer und Janiak haben sich in der Schlussabstimmung enthalten, Stöckli hat sogar Nein gestimmt.

Empörte Genossen

Dass sie vom SGV nun als Ja-Sager dargestellt werden, lupft den dreien den Hut: «Ich habe mich nie für die USR III ausgesprochen und verlange, dass meine Position umgehend korrigiert wird», so Stöckli. Er sei bereits von Genossen kontaktiert worden, die sich darüber empört hätten, dass er plötzlich im Ja-Lager zu finden sei.

Dabei sei er dezidiert gegen die Reform, und zwar wegen der fehlenden Gegenfinanzierung für die Kommunen. «Allein meiner Heimatstadt Biel würden 13 Millionen Franken pro Jahr fehlen», begründet er sein Nein. «Das bedeutet, dass eine Durchschnittsfamilie 500 Franken mehr Steuern zahlen müsste – und das ohne Gegenleistung. Das ist nicht akzeptabel!»

«Missachtung minimaler Fairness-Regeln»

Auch Bruderer und Janiak fordern eine Richtigstellung. «Es ist eine Frechheit, dass der Gewerbeverband mich nicht angefragt hat, bevor er mich in einer Abstimmungspublikation verwendet», so Janiak. «Der Gewerbeverband missachtet damit minimale Fairness-Regeln in der Politik», so der Baselbieter.

Er sei gegen die Reform, stellt Janiak klar, denn in Baselland wüssten – Stand heute – nicht mal die Gemeindevertreter, welche Auswirkungen die Vorlage habe. «Wie sollen die Stimmbürger bei dieser vagen Ausgangslage ihre Meinung bilden können?», fragt er.

Bigler wehrt sich gegen Kritik

Bruderer stört sich ebenfalls daran, dass der SGV sie vor der Publikation weder angefragt noch informiert habe. «Eine Richtigstellung ist wichtig, weil der SGV mit solch irreführenden Aussagen bewusst die Stimmbürger täuscht.» 

Ihre Enthaltung in der Schlussabstimmung könne auf keinen Fall als Zustimmung gewertet werden, so Bruderer. Zwar müssten die Privilegien der Holdings abgeschafft werden.«Aber dieser Reform, die zu massiven Steuerausfällen führt, kann ich unmöglich zustimmen», stellt sie klar.

SGV-Direktor Hans-Ulrich Bigler kann die Forderung der SP-Ständeräte nicht nachvollziehen: «Die Damen und Herren müssen einfach den Artikel in der Gewerbezeitung lesen», sagt er. Darin stehe, dass Jositsch im Ständerat für die USR III gestimmt habe. Von den anderen dreien heisse es nur, sie hätten sich gegen den von SP-Chef Christian Levrat ausgerufenen Klassenkampf gestellt – und das stimme ja wohl.

Ein «mieser Trick» des SGV?

Dies habe aber nichts mit der USR III zu tun, moniert Janiak. Bruderer spricht sogar von «absichtlicher Vermischung» durch den Gewerbeverband. Und Stöckli sekundiert: «Es sagt viel über die Nervosität der Befürworter aus, dass sie mit solch miesen Tricks arbeiten müssen.»

Von einem Trick will Bigler aber nicht sprechen: «Wir beim Gewerbeverband sind überzeugt, dass die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger lesen können und mündig sind, zu verstehen, was dort steht.»

Dass der SGV in Abstimmungskampagnen zur grossen Keule greift, ist kein Novum: Letzten Herbst verglich er in einer Kampagne den Zürcher Nationalrat Bastien Girod (Grüne) mit einem Taliban-Terroristen. Und auch für seine Brutalo-Kampagne gegen das Radio- und TV-Gesetz im Frühling 2015 erntete er Kritik.

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