Im edlen Bernerhof, dem Sitz von Ueli Maurers Finanzdepartement, wurde gestern zünftig geflucht. Grund dafür war ein Bericht, in dem die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) Bundesrat und Verwaltung vorwirft, die Auswirkungen von Gesetzen nicht richtig einzuschätzen. Die Zuverlässigkeit der Aussagen sei «fragwürdig», so die EFK. Schlimmer noch: Politischer Druck führe dazu, dass Gesetze schöngerechnet würden.
Denkbar dümmster Zeitpunkt
Insbesondere im Finanzdepartement liegen nun die Nerven blank. Zitieren lassen mag sich niemand. Doch hinter vorgehaltener Hand wünscht man die EFK und ihren Direktor Michel Huissoud zum Teufel. Denn der publizierte den Bericht im dümmsten Moment: Am Sonntag stimmt die Schweiz über die Unternehmenssteuerreform (USR) III ab – Maurers Vorlage, bei der die Prognosen des Bundesrates eine zentrale Rolle spielen.
Und die Abstimmung dürfte denkbar knapp ausgehen. Selbst die grössten Optimisten unter den Befürwortern stellen sich insgeheim auf ein Nein ein. Um das Ruder doch noch herumzureissen, zählt für sie jede Stimme.
Hat die EFK eine politische Agenda?
Dass die EFK in dieser Situation Wasser auf die Mühlen der Reformgegner giesst, treibt Maurers Beamte zur Weissglut. Und für einmal finden auch Politiker harte Worte für die sonst hoch angesehene Finanzkontrolle. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung sei «schlecht gewählt», kritisiert der Zürcher FDP-Nationalrat und Gewerbeverbands-Direktor Hans-Ulrich Bigler.
Einige gehen gar davon aus, dass der Termin kein Zufall sei. Die EFK legte ihn nämlich Anfang November fest, rund drei Wochen, nachdem der Bundesrat den 12. Februar zum USR-III-Sonntag gemacht hatte. «Den Vorwurf der politischen Agenda muss sich Herr Huissoud gefallen lassen», sagt Bigler daher. Zumal er sich schon früher kritisch zur USR III geäussert habe. «Herr Huissoud wurde für seine Tendenz, sich politisch zu äussern, schon von Parlamentariern gerügt», erinnert der Zuger SVP-Finanzpolitiker Thomas Aeschi.
Huissoud selbst weist die Vorwürfe zurück: «Die EFK macht keine Politik.» Der Bericht sage nichts zur USR III – die er im Übrigen für unerlässlich und ausgezeichnet halte. Er habe in einem Interview lediglich auf damals bestehende technische Mängel hingewiesen.
Für den Inhalt gibts keine Kritik
Auch wenn die Politiker den Termin kritisieren: Mit dem Urteil der EFK sind sie einverstanden. «Der Bund überschätzt die Auswirkungen von Gesetzen zu seinen Gunsten», sagt Bigler. Auch die Berner SP-Nationalrätin Margret Kiener Nellen sieht ihre eigenen Erfahrungen bestätigt.
Das Parlament hat daher einen Ausweg aus dem Schönrechnen aufgezeigt: Gegen den Willen des Bundesrates hat es Vorstösse der FDP-Fraktion und von CVP-Nationalrat Karl Vogler angenommen, die die Folgenabschätzung von Gesetzesentwürfen an eine externe Stelle auslagern wollen. «Die Departemente wollen ihre Vorlagen natürlich durchbringen», sagt Vogler. «Dadurch fehlt ihnen die kritische Distanz.»
Bern – Anlass für die Untersuchung der Finanzkontrolle war die letzte Unternehmenssteuerreform. Damals hatte der Bundesrat Steuerausfälle von 500 Millionen Franken vorhergesagt. «Heute spricht man von Einbussen in Milliardenhöhe», hält die EFK fest. Untersucht hat sie die Reform aber nicht. Fehler fand sie dennoch genug.
Zu viel versprochen: Die Einführung des Cassis-de-Dijon-Prinzips sollte den Konsumenten Einsparungen von zwei Milliarden Franken bringen, weil in der EU produzierte Waren keine Bewilligung für den Schweizer Markt benötigen. Zudem sagte das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) ein Wachstum von 0,5 Prozent voraus. Beides habe sich nicht erfüllt, so die Finanzkontrolleure.
Teuer gerechnet: Auch bei der Familienbesteuerung im Jahr 2009 lag der Bundesrat daneben. Die Steuerverwaltung rechnete wegen des Abzugs von Fremdbetreuungskosten mit Ausfällen von 360 Millionen. Später stellte sich heraus, dass die Kosten nur 60 Millionen betrugen.
Weggeschaut: Gar keine Folgeabschätzung machte die Bundesverwaltung bei der wirtschaftlich bedeutenden Swissness-Vorlage, die regelt, unter welchen Bedingungen ein Produkt mit dem Schweizerkreuz beworben werden darf. Das ist kein Einzelfall: In 58 Prozent der von der EFK geprüften Fälle untersuchten die zuständigen Bundesämter die Auswirkungen von Vorlagen nicht – obwohl sie eigentlich dazu verpflichtet sind. (sf)
Bern – Anlass für die Untersuchung der Finanzkontrolle war die letzte Unternehmenssteuerreform. Damals hatte der Bundesrat Steuerausfälle von 500 Millionen Franken vorhergesagt. «Heute spricht man von Einbussen in Milliardenhöhe», hält die EFK fest. Untersucht hat sie die Reform aber nicht. Fehler fand sie dennoch genug.
Zu viel versprochen: Die Einführung des Cassis-de-Dijon-Prinzips sollte den Konsumenten Einsparungen von zwei Milliarden Franken bringen, weil in der EU produzierte Waren keine Bewilligung für den Schweizer Markt benötigen. Zudem sagte das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) ein Wachstum von 0,5 Prozent voraus. Beides habe sich nicht erfüllt, so die Finanzkontrolleure.
Teuer gerechnet: Auch bei der Familienbesteuerung im Jahr 2009 lag der Bundesrat daneben. Die Steuerverwaltung rechnete wegen des Abzugs von Fremdbetreuungskosten mit Ausfällen von 360 Millionen. Später stellte sich heraus, dass die Kosten nur 60 Millionen betrugen.
Weggeschaut: Gar keine Folgeabschätzung machte die Bundesverwaltung bei der wirtschaftlich bedeutenden Swissness-Vorlage, die regelt, unter welchen Bedingungen ein Produkt mit dem Schweizerkreuz beworben werden darf. Das ist kein Einzelfall: In 58 Prozent der von der EFK geprüften Fälle untersuchten die zuständigen Bundesämter die Auswirkungen von Vorlagen nicht – obwohl sie eigentlich dazu verpflichtet sind. (sf)