Der Nationalrat hat heute die Beratungen zur No-Billag-Initiative aufgenommen, die eine Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren fordert. Viele sehen darin eine Gefahr für die Demokratie und den nationalen Zusammenhalt.
Das Thema bewegt: Insgesamt wollen sich 69 Rednerinnen und Redner äussern. Der Rat wird deshalb erst am 25. September entscheiden. Dass er die Initiative klar ablehnen wird, zeigte sich jedoch schon heute.
Neben der Initiative steht ein direkter Gegenvorschlag zur Diskussion: Die SVP schlägt vor, die Gebühren auf 200 Franken pro Jahr zu begrenzen. Im Nationalrat dürfte aber auch dieser Vorschlag chancenlos sein, trotz Unterstützung der Wirtschaftsverbände. Ausser der SVP sprachen sich alle Fraktionen gegen die Initiative und den direkten Gegenvorschlag aus.
Ein Ja zur Initiative wäre der Tod der SRG, lautete der Tenor. Unabhängige Informationen in allen Sprachregionen seien aber gerade für die direkte Demokratie von grosser Bedeutung. Und ein solches Angebot lasse sich im kleinen Markt nur mit Gebühren finanzieren.
«Abzockerei mit Zwangsgebühren»
Für die Initiative machte sich Lukas Reimann (SVP/SG) stark, der dem Initiativkomitee angehört. Er sprach von «Abzockerei» und «Zwangsgebühren». Die Bürgerinnen und Bürger sollten selbst entscheiden können, für welche Medien sie ihr Geld ausgeben möchten, sagte er.
Gregor Rutz (SVP/ZH) und Natalie Rickli (SVP/ZH) betonten, sie hätten die Initiative nicht unterschrieben. Falls der Gegenvorschlag nicht zustande komme, sehe sie sich aber gezwungen, die Initiative zu unterstützen, sagte Rickli. Für Rutz ist der Gegenvorschlag ein Mittelweg zwischen den Extremvarianten «alles streichen» und «keinen Rappen einsparen». Von einem «Kompromiss» sprach auch Hans-Ulrich Bigler (FDP/ZH), der Direktor des Gewerbeverbandes.
«Was soll dieser Quatsch?»
SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz (SVP/BE) machte deutlich, dass es nicht allein um Geld, sondern auch Sendeinhalte geht. «Die Partei» - die SVP - sei für Meinungsvielfalt, versicherte er. Es brauche aber keine gelenkte Demokratie à la «Arena», in welcher der Moderator bestimme, wer auftrete. Die SVP als grösste Partei dürfe kritisiert werden, aber die Kritik sollte sich nicht nur auf sie richten. Amstutz stellte auch andere TV-Sendungen in Frage, von «SOKO Wien» bis «Kommissar Rex». «Was soll dieser Quatsch?», fragte er.
Claudio Zanetti (SVP/ZH) warf der SRG vor, regierungstreu, EU-freundlich und links zu berichten. Toni Brunner (SVP/SG) stellte fest, ein SRG-Generaldirektor mit SVP-Parteibüchlein sei undenkbar. Und Thomas Müller (SVP/SG) nannte die SRG eine «gebührenfinanzierte Meinungsmacherin».
Drohende «Berlusconisierung»
Die Gegner sehen es genau umgekehrt: Wenn Private die Medien kontrollierten, werde die Meinung beeinflusst oder manipuliert, sagte Ida Glanzmann (CVP/LU). Matthias Aebischer (SP/BE) warnte vor einer «Berlusconisierung» der Schweiz. Die Initianten wollten die Macht anderer Medienunternehmen ausbauen, zum Teil mit politischem Hintergrund. «Wer die SRG abschaffen will, handelt unschweizerisch», sagte der frühere SRF-Mitarbeiter.
Vor italienischen Zuständen warnte auch Bernhard Guhl (BDP/AG). «Wir beobachten die Veränderungen der Besitzverhältnisse mit Argusaugen», sagte er. Thema war in diesem Zusammenhang auch die Konzentration bei den Printmedien und der Kauf von Lokalzeitungen durch Christoph Blocher.
Ausländische Sender als Profiteure
Die wahren Motive der Initianten seien nicht ganz klar, sagte Roger Nordmann (SP/VD). Klar seien aber die Konsequenzen bei einem Ja. Verschwinde die Gebühr, sei die SRG auch für Werbung weniger attraktiv. Die Werbung würde bei Google, Facebook und ausländischen Werbefenstern landen.
Regula Rytz (Grüne/BE) stellte fest, es sei verwunderlich, dass ausgerechnet die SVP den ausländischen Medien das Feld überlassen wolle. Diese berichteten nämlich nicht über Bundesratswahlen oder die Zukunft der Sozialwerke. In der direkten Demokratie müssten sich die Bürgerinnen und Bürger eine Meinung bilden können. Die Initiative sei eine «reine Zerstörungsinitiative».
Kein «Service sans public»
Doris Fiala (FDP/ZH) gab zu bedenken, dass die meisten Angebote wirtschaftlich nicht rentabel seien. Die SRG könne auch nicht einfach auf die Unterhaltungssendungen verzichten. Dann wäre es nämlich ein «Service sans public», ein Angebot ohne Zuschauer. «Das käme den Kritikern gerade recht», sagte Fiala. In Zeiten von «Fake News» und zunehmender Manipulation brauche es die SRG.
Aus Sicht von Viola Amherd (CVP/VS) geht es um ein Stück Schweiz. Bei einem Ja zur Initiative wäre nicht nur die Unabhängigkeit der Information gefährdet, sondern auch das gegenseitige Verständnis verschiedener Sprachregionen sowie Stadt und Land. Randregionen und Sprachminderheiten wären besonders betroffen.
«SRG muss über die Bücher»
Bei aller Unterstützung für die SRG gab es aber auch kritische Töne. Die SRG sei heute zu marktmächtig, sagte Thierry Burkart (FDP/AG). Es brauche eine Diskussion zum Umfang des Service public. Doch die Finanzen müssten dem Inhalt folgen und nicht umgekehrt.
Jürg Grossen (GLP/BE) stellte fest, es müsse erlaubt sein, über die Höhe der Gebühren zu diskutieren. Die Summe der Gebühren habe mit dem Bevölkerungswachstum stetig zugenommen. Heute habe die SRG rund 100 Millionen Franken mehr zur Verfügung als vor zehn Jahren.
Andere forderten eine zeitgemässere Form der Medienförderung. Die SRG sei eine Garantin für eine gute Berichterstattung in allen Landesteilen, sagte Min Li Marti (SP/ZH). Das reiche aber nicht in einer Zeit, in der sich die Verleger mangels Werbeeinnahmen zunehmend aus dem Journalismus zurückzögen. Für Natalie Rickli (SVP/ZH) dagegen sind solche Überlegungen ein «Albtraum». (SDA)