Die kantonalen Finanzdirektoren weibeln praktisch geschlossen für die Unternehmenssteuerreform III – trotz zumindest kurzfristiger Steuerausfälle.
Genau diese drohenden Steuerlöcher machen dem schweizerischen Lehrer-Dachverband LCH Sorgen. Zentralpräsident Beat W. Zemp erklärt im BLICK-Interview, weshalb sich sein Verband für ein Nein engagiert.
BLICK: Herr Zemp, statt Bildungspolitik machen die Lehrer nun Steuerpolitik. Was soll das?
Beat W. Zemp: In unseren Statuten ist klar definiert, wann wir politisch eingreifen dürfen: Wenn die Arbeitsbedingungen der Lehrerschaft oder die Unterrichtsbedingungen der Schüler verschlechtert werden. Mit dieser Steuerreform droht beides!
Das ist eine gewagte Behauptung.
Überhaupt nicht. Wir sehen doch, was die USR II angerichtet hat.
Laut Finanzminister Ueli Maurer ist sie eine Erfolgsstory, die Steuereinnahmen sind gestiegen.
Und trotzdem wurden in verschiedenen Kantonen grössere Abbaupakete geschnürt. Eine Erhebung unseres Verbands zeigt, dass seit 2013 auf kantonaler Ebene alleine in der Deutschschweiz über eine Milliarde Franken im Bildungsbereich eingespart wurde. Mit der USR III gibt es Steuersenkungen nach dem Giesskannenprinzip. Kantonen und Gemeinden drohen erneut Milliardenausfälle. Das werden auch die Schulen zu spüren bekommen.
Inwiefern?
Die Steuerlücken führen zu Bildungslücken. Das geht von Klassenzusammenlegungen und grösseren Klassen über den Abbau von Fächern und Lektionen bis hin zur Streichung von Unterstützungsangeboten oder dem Wegfall des Halbklassenunterrichts. Bei den Lehrpersonen sind Pensenerhöhungen und stagnierende Löhne die Folge. Für Schüler und Lehrer resultieren mehr Stress und eine schlechtere Bildungsqualität.
Sie malen den Teufel an die Wand. Dabei schafft die Reform nur die Rahmenbedingungen, die konkrete Umsetzung ist Sache der Kantone. Sie müssen sich doch dort einbringen, anstatt die USR III zu bekämpfen.
Natürlich werden wir uns auch auf Kantonsebene einbringen. Das Korsett der Reform ist aber zu eng, die Kantone sind am Schluss doch nicht so frei. Wenn die einen Kantone die neuen Steuerschlupflöcher anbieten, werden die anderen auch nachziehen müssen. Das führt zu einer Negativspirale.
Aus Bildungssicht gibt es doch durchaus positive Elemente: Dank gezielter Steuervergünstigungen werden Forschung und Entwicklung gefördert.
Ich habe viel Verständnis für diese Bereiche, aber es will mir trotzdem nicht in den Kopf, weshalb ein Abzug von bis zu 150 Prozent des tatsächlichen Aufwands möglich sein soll. Das scheint mir ungerecht.
Um eine Reform kommen wir wegen des internationalen Drucks aber nicht herum.
Das ist ja auch für uns unbestritten. Anstelle dieser überrissenen Vorlage braucht es eine ausgewogene Reform. Nach einem Nein können wir sofort eine vernünftige USR IV aufgleisen. Viele Firmen kommen schliesslich nicht nur wegen der Steuern ins Land, sondern weil sie die Lebensqualität und unser gutes Bildungssystem schätzen. Das dürfen wir nicht gefährden.
Sie kämpfen Seite an Seite mit SP und Gewerkschaften. Damit bestätigen Sie doch einmal mehr das Vorurteil der links-grünen Lehrerschaft.
Nein, keineswegs. Alt Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, der frühere Solothurner FDP-Finanzdirektor Christian Wanner oder die Bieler FDP-Finanzdirektorin Silvia Steidle sind doch keine Linken! Ich selber bin parteilos und in der politischen Mitte positioniert. Die USR III ist keine Frage von Links oder Rechts.