Knatsch um Altersreform 2020 spitzt sich zu
Grosi-Tweet sorgt für heisse Köpfe

Im Streit um die Altersreform 2020 erhitzt ein Tweet von CVP-Nationalrätin Andrea Gmür (LU) die Gemüter der Twittergemeinschaft. Gmür habe als Volksvertreterin jegliche Glaubwürdigkeit verloren, findet die Jungfreisinnige Jill Nussbaumer (ZG). Hintergrund ist ein Video ihrer Grossmutter zur Altersreform 2020.
Publiziert: 28.06.2017 um 20:10 Uhr
|
Aktualisiert: 30.09.2018 um 16:18 Uhr
Benedikt Theiler
Jill Nussbaumer erhielt auf ihren Grosi-Tweet nicht nur positive Reaktionen.
Foto: Jungfreisinnige

Jill Nussbaumer ist stolz auf ihre Grossmutter Margrith Hofstetter. Die 86-Jährige habe in ihrem Leben viel erreicht und leiste auch in fortgeschrittenem Alter noch viel, so die Zuger Bankerin und Vorstandsmitglied der Jungfreisinnigen Schweiz. Auch politisch ticken die beiden Frauen trotz des Altersunterschieds gleich.

Und so hat Nussbaumer ihre Grossmutter für die Kampagne gegen die Rentenreform eingespannt: Anfang Monat postete ein Video in den sozialen Medien, in dem sich Margrith Hofstetter zur Altersreform 2020 (AV2020) äussert. Die ältere Dame fordert darin, dass auch ihre Enkel eine AHV-Rente erhalten sollen. Genau dies sei mit der Reform nicht gegeben – darum lehne sie diese ab. 

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Getäuschtes Grosi

Bei den Befürwortern der Reform kam das nicht gut an. Zu einer Reaktion hinreissen liess sich beispielsweise die Luzerner CVP-Nationalrätin Andrea Gmür. Auf ihrem Twitter-Account fragte sie: «Welcher Bär wurde diesem armen, getäuschten Grosi aufgebunden, dass es glaubt, die Jungen kriegen keine Rente mehr?»

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Gmürs Tweet sei «unsäglich», echauffiert sich nun die jungfreisinnige Enkelin Nussbaumer. «Mangels sachlicher Argumente für die AV2020 zweifelt Gmür die Mündigkeit meiner Grossmutter an.» Eine Nationalrätin, die Rentner als arm und getäuscht bezeichne, verliere als Volksvertreterin jegliche Glaubwürdigkeit, kritisiert sie. Gerade in Generationen übergreifenden Themen wie der Altersvorsorge sei es fatal, die Anliegen demographischer Gruppen zu ignorieren und sie als naiv und uninformiert abzutun. «Frau Gmür fehlt jeglicher Respekt gegenüber meiner Grossmutter und ihrer Lebenserfahrung», so die Jungpolitikerin.

Grosi sei bestens informiert

Nussbaumer erklärt: «Mein Grosi hat mit meinem Grossvater in den USA gelebt und ihn später in seiner politischen Tätigkeit als Grossstadtrat in Luzern begleitet.» Ihre Grossmutter sei immer bestens informiert und denke kritisch. Darum geniesse sie die spannenden Gespräche mit ihr. Zudem sei ihr Grosi «stets offen und interessiert an den Themen, die meine Generation beschäftigen.»

Nicht nur die Luzerner Politikerin hat auf das Video ihrer Grossmutter reagiert. Wie Nussbaumer erwähnt, sei sie angeschrieben worden, ihr Grosi soll in der Arena zum Thema mitdiskutieren. Nach dem Kommentar von Gmür hätten einige sogar gefordert, «mein Grosi solle anstelle von Frau Gmür ins Parlament.»

Tweet salopp formuliert

Sicher sei ihr Tweet ein bisschen salopp formuliert, erklärt CVP-Nationalrätin Andrea Gmür-Schönenberger (LU).
Foto: GAETAN BALLY

Sicher sei ihr Tweet ein bisschen salopp formuliert, erklärt Gmür den Twittereintrag. Er richte sich aber nicht gegen Frau Nussbaumers Grossmutter, sondern gegen diejenigen, die falsch über die Rentenreform informierten.

Die Reform sei keinesfalls Zechprellerei auf Kosten der Jungen. Im Gegenteil: «Gerade die Jungen werden von der Rentenreform profitieren, weil der Umwandlungssatz in der beruflichen Vorsorge gesenkt wird.» Bei einem Nein hingegen würden es die Jungen sein, welche die AHV weiterhin massiv mitfinanzieren müssten, so die CVP-Nationalrätin.

Rentenreform – die CVP-Connection

Vor drei Wochen setzten die Mitte-links-Parteien den Atomausstieg an der Urne durch. Nun geht die Allianz von SP und CVP erneut gemeinsam ins Rennen. Die Rentenreform soll gegen rechts durchgebracht werden.

Die Kampagne führen die Christdemokraten. Im Moment sammeln sie Geld für den Abstimmungskampf. Vier bis fünf Millionen Franken will die Partei für das Prestigeprojekt in ihrer Kriegskasse haben.

Der Versicherungsverband will eigentlich keine Parole fassen, da die Vorlage Vor- und Nachteile habe. Zwei Versicherungen sind nun aber ausgeschert und setzen sich für ein Ja am 24. September ein: Helvetia und Axa Winterthur. «Wir sind für die Rentenreform – obwohl wir bittere Pillen schlucken müssen», lässt sich Helvetia-Konzernchef Philipp Gmür (54) zitieren. Axa Winterthur erklärt, das Unternehmen unterstütze die Vorlage «in einer Gesamtbetrachtung».

Dieses Engagement kommt nicht überraschend. Beide Firmen sind nämlich eng mit den Konservativen verbandelt.

Der Helvetia-CEO ist mit CVP-Nationalrätin Andrea Gmür-Schönenberger (52, LU) verheiratet. Und im Verwaltungsrat sitzt Jean-René Fournier (59), Walliser CVP-Ständerat. Auch im Aufsichtsorgan der Axa ist die Partei prominent vertreten: Alt Bundesrätin Ruth Metzler (53) mischt dort mit.

Dass die CVP alle Register ziehen wird, ergibt Sinn: Bei der Reform geht es nämlich nicht nur um Anpassungen im Rentensystem. Im Herbst kommt es auch zu einem politischen Showdown.
Gelingt es der CVP gemeinsam mit den Genossen, dem bürgerlichen Lager eine weitere Ohrfeige zu verpassen?

Oder schaffen es FDP und SVP, ihre Gegner wieder in die Schranken zu weisen? Kurz gefragt: Wer hat das Sagen im Land?

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Der Helvetia-CEO ist mit CVP-Nationalrätin Andrea Gmür-Schönenberger (52, LU) verheiratet. Und im Verwaltungsrat sitzt Jean-René Fournier (59), Walliser CVP-Ständerat. Auch im Aufsichtsorgan der Axa ist die Partei prominent vertreten: Alt Bundesrätin Ruth Metzler (53) mischt dort mit.

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