Es war ein kurioser Auftritt von FDP-Chefin Petra Gössi: Nach dem Nein zur Atomausstiegs-Initiative Ende November nutzen sämtliche Parteichefs die mediale Bühne, um sich für die nächste energiepolitische Debatte über die Energiestrategie 2050 zu positionieren.
Nur Gössi liess den Steilpass ungenützt. Sie mochte sich nicht gross zum Thema äussern und vertröstete auf die FDP-Delegiertenversammlung vom März.
Dies, obwohl eine deutliche Zwei-Drittel-Mehrheit der FDP-Bundeshausfraktion der Vorlage zugestimmt hatte. Damit sorgte Gössi – persönlich lehnt sie die Energiestrategie ab – parteiintern für Irritation.
Zwei Dutzend Freisinnige im Ja-Komitee
Doch lange beirren liessen sich die freisinnigen Energiewende-Freunde um Ständerat Ruedi Noser (ZH) und die Nationalräte Peter Schilliger (LU) und Jacques Bourgeois (FR) dann doch nicht.
Mit Blick auf das Energie-Referendum der SVP halfen sie hinter den Kulissen fleissig beim Aufbau eines überparteilichen Ja-Komitees mit – um machten noch vor dem Entscheid der FDP-Delegierten am 4. März Nägel mit Köpfen.
So zählt das parlamentarische Ja-Komitee derzeit 134 Bundesparlamentarier. Darunter finden sich auch zwei Dutzend Freisinnige – und damit bereits die Mehrheit der FDP-Fraktion. Ein gelungener Coup der Energiewende-Freunde.
Energiestrategie-Gegnerin Gössi steht mit ihrer Abwartestrategie nun mit abgesägten Hosen da. Dabei hatte sie die Delegiertenversammlung extra um drei Wochen vorverschoben, damit die freisinnige Position in dieser gewichtigen Frage rascher geklärt werden kann.
«Innerhalb der FDP gibt es unterschiedliche Meinungen, was die Energiestrategie angeht», versucht Noser die Wogen zu glätten. «Als liberale Partei ist das für uns kein Problem, wir lassen Debatten bewusst zu.»
Auch Unternehmer Schilliger findet nicht, dass das Vorpreschen im Ja-Komitee einer Desavouierung Gössis gleichkommt. «Ich respektiere ihre Haltung. Für die FDP gibt es gute Gründe für wie auch gegen die Energiestrategie – ich sehe allerdings mehr Vorteile.»
Der Luzerner kehrt den Spiess zudem um: «Es gibt auch Freisinnige, die entgegen der Fraktionsmehrheit im Referendumskomitee mitmachen.» So etwa die FDP-Nationalräte Doris Fiala (ZH) und Benoît Genecand (GE). Bei Meinungsverschiedenheiten man eben «grosszügig», sagt Schilliger.
Gössi will sich bei Ja-Parole zurückhalten
Auch Gössi selbst sieht die Situation gelassen. «In dieser Frage geht das in Ordnung. Ich bin meiner ablehnenden Position ja auch treu geblieben, obwohl ich wusste, dass die Fraktionsmehrheit am Schluss für die Vorlage war.» Für die einen sei das Glas eben halb voll, für die anderen halb leer.
Sollte die Delegiertenversammlung die Ja-Parole beschliessen, werde sie sich im Abstimmungskampf aber zurückhalten. «Dann werden andere als ich an vorderster Front stehen, alles andere wäre ja unglaubwürdig.»
Und Schilliger meint: «Sollte die FDP wider Erwarten die Nein-Parole beschliessen, werde ich zwar weiterhin im Komitee für ein Ja einstehen, aber etwas defensiver agieren.»