Hitchcock-Finale im Abstimmungs-Krimi
Dieses Baby rettete die Rentenreform

SP-Nationalrätin Mattea Meyer ist hochschwanger. Doch ihr Baby blieb ruhig, so schaffte sie es zur Abstimmung über die Rentenreform. Zum Glück, denn ohne ihre Stimme wäre die Reform abgestürzt.
Publiziert: 16.03.2017 um 23:54 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 20:40 Uhr
Hochschwanger: SP-Nationalrätin Mattea Meyer (ZH, l.) – hier im Bild mit GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy (BE) – reiste extra für die Entscheidung nach Bern.
Foto: EQ
Ruedi Studer und Sermîn Faki

Es ist die Zahl der Frühlingssession: 101. Die entscheidende Hürde im Nationalrat, um den Absturz der Rentenreform zu verhindern.

Gestern früh war nur eines klar: Nachdem die Grünliberalen ins Ja-Lager gewechselt hatten, hatte Mitte-links rein rechnerisch die benötigte Mehrheit von 101 Stimmen beisammen. Auf zusätzliche Stimmen aus FDP und SVP durften sie nicht mehr hoffen.

«Es wird eng», sagte SP-Chef Christian Levrat noch vor Sitzungsbeginn. «Ich hoffe, dass niemand in der Dusche ausgerutscht ist.»

Mitte-links musste nämlich dafür sorgen, dass bei der entscheidenden Abstimmung alle ihre Vertreter im Saal waren. In einem Hitchcock-Finale schaffte die Rentenreform genau diese 101 Stimmen. Nur dank eines Sonderefforts.

SP-Nationalrätin Mattea Meyer (29, ZH) ist hochschwanger und krankgeschrieben. «Ich wusste aber, dass es um jede Stimme geht. Deshalb bin ich nur für die AHV-Abstimmung in den Rat gekommen», so Meyer. «Dem Baby geht es gut, daher konnte ich die Reise nach Bern auch verantworten.» Das Baby blieb ruhig – und rettete damit quasi die Rentenreform! Auch an der heutigen Schlussabstimmung wird Meyer teilnehmen.

SP-Nationalrätin Nadine Masshardt  (32, BE) ist eigentlich im Mutterschaftsurlaub. Ihr zweites Kind kam vor rund vier Wochen zur Welt. In der SVP hoffte man vergebens darauf, dass sie zu Hause bleiben würde. «Es ist eine der wichtigsten Abstimmungen der Legislatur», sagt Masshardt. «Für mich war deshalb immer klar: Geht es meinem Kind und mir gut und wenn ich es in guten Händen weiss, dann werde ich diese Abstimmung nicht verpassen.» Auch die heutige Schlussabstimmung nicht.

Foto: EQ Images

PdA-Nationalrat Denis de la Reussille (56, NE) lehnt die Rentenreform insbesondere wegen der Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 ab. Doch als Mitglied der Grünen-Fraktion wollte er seinen Kollegen keinen Strich durch die Rechnung machen. Der Deal: Gestern stimmte er der Rentenreform zu, um eine Volksabstimmung zu ermöglichen. In der Schlussabstimmung braucht es nicht mehr 101 Stimmen, sondern nur noch eine relative Mehrheit. «Deshalb kann ich heute guten Gewissens Nein stimmen, um so dem linken Nein Ausdruck zu geben.» 

SVP und FDP stimmten fast geschlossen Nein

Damit hatte das Stimmverhalten auf der rechten Seite keinen Einfluss mehr. Aus SVP und FDP stimmten 91 Nationalräte dagegen, je zwei SVP- und zwei FDP-Nationalräte enthielten sich.

Besonders in der SVP war der Druck auf potenzielle Abweichler, die mit einem Ja geliebäugelt hatten, in den letzten Tagen massiv gestiegen. Sämtliche SVP-Bauern stimmten schliesslich Nein.

Ulrich Giezendanner (AG) und der junge Solothurner Nationalrat Christian Imark (SO) retteten sich am Schluss in die Enthaltung. «Der Preis innerhalb der Partei wäre für mich zu hoch gewesen», räumt Imark im Nachhinein ein.

«Jemanden verimarken»

Dafür muss Imark nun auch einige Häme seitens seiner Kollegen einstecken. In der SVP gibt es jetzt einen neuen Ausdruck dafür, jemanden so lange zu bearbeiten, bis er wieder stramm auf Linie ist. Ein SVP-Vertreter meinte jedenfalls frotzelnd: «Bei uns heisst das nun ‹jemanden verimarken›.»

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