Gewerkschaft hat nachgerechnet
Letzte Unternehmenssteuer-Reform kostete 15 Milliarden

Im Februar stimmen wir über die Unternehmenssteuerreform III ab. Der Gewerkschaftsbund präsentiert neue Zahlen, die zeigen, wie viel die Unternehmenssteuerreform II gekostet hat. Die Ausfälle seien «erschreckend hoch».
Publiziert: 26.12.2016 um 23:39 Uhr
|
Aktualisiert: 28.09.2018 um 17:17 Uhr
«Milliarden-Bschiss»: So kämpft das Nein-Komitee gegen die Unternehmenssteuerreform III.
Foto: Keystone
Sermîn Faki

Wie ein Damoklesschwert hängt die letzte grosse Reform der Unternehmenssteuern über der Unternehmenssteuerreform (USR) III, über die am 12. Februar 2017 abgestimmt wird. Denn die Gegner behaupten, das Volk sei bei der USR II übers Ohr gehauen worden.

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) unterlegt dies jetzt mit neuen Zahlen: Seit Inkrafttreten der USR II im Jahr 2011 seien dem Staat nicht eine Milliarde Steuergelder entgangen, wie der Bundesrat behauptet hatte, sondern zwischen 9,5 und 13 Milliarden Franken. Und zudem mehr als zwei Milliarden Franken an AHV-Beiträgen.

Wenn Ärzte Kapitalgesellschaften gründen

Allein durch die Einführung des Kapitaleinlageprinzips, das Rückzahlungen von Kapitaleinlagen von der Einkommens- und Verrechnungssteuer befreit, habe der Staat 6,5 Milliarden Franken verloren. Weitere Ausfälle ergäben sich, weil Dividenden seitdem nicht mehr zu 100 Prozent besteuert werden. Der Bund erhebt nur auf 60 Prozent der Summe eine Steuer, viele Kantone besteuern gar noch weniger.

Die Teilbesteuerung hat laut SGB einen zusätzlichen negativen Effekt: Selbständige wie Ärzte und Anwälte haben ihre Firmen in Kapitalgesellschaften umgewandelt. Statt eines Lohns zahlen sie sich eine Dividende aus und sparen so Einkommenssteuern. Eine weitere Folge dieser Taktik sind Ausfälle von über zwei Milliarden Franken bei der AHV.

Maurer hält SGB-Papier für unseriös

Roland Meier, Sprecher von Finanzminister Ueli Maurer, will die Berechnungen der Gewerkschaften nicht im Detail kommentieren, bezeichnet sie jedoch als «unseriös». Die USR II sei eine «Erfolgsgeschichte». Das Departement verweist auf die Finanzstatistik, wonach die Einnahmen des Bundes aus Unternehmensgewinnsteuern von 8,0 Milliarden im Jahr 2010 auf 9,7 Milliarden im Jahr 2015 gestiegen sind. Kantone und Gemeinden haben im selben Zeitraum knapp 500 Millionen Franken mehr Gewinnsteuern eingenommen.

«Die Steuerausfälle infolge der USR II wurden durch die positiven Wachstumseffekte der Reform bei weitem wieder aufgewogen», erklärt Meier. «Konkret ist davon auszugehen, dass die USR II in der Schweiz zu Neuansiedlungen von Unternehmen geführt hat.»

«Das ist Trump-Niveau»

Über die Beweisführung des Finanzdepartements kann SGB-Chefökonom Daniel Lampart nur lachen. «Das ist Trump-Niveau», ätzt er.

«Die gestiegenen Gewinnsteuereinnahmen des Bundes resultieren kaum aus Zuzügen von Firmen, sondern aus höheren Umsätzen der ansässigen Unternehmen, insbesondere in der Pharmaindustrie, bei den Versicherungen, den Banken und den Rohstoffhändlern.» Ausserdem habe die Entwicklung der Steuereinnahmen überhaupt nichts mit der USR II zu tun. Von dieser hätten nämlich nicht die Firmen, sondern die Privataktionäre profitiert.

Lampart ist überzeugt: «Unsere Zahlen sind aussagekräftiger als die des Bundes.» Zwar habe der SGB aufgrund des Steuergeheimnisses nur Schätzungen vornehmen können. Basis seien jedoch Geschäftsberichte und Aktienregister, aus denen hervorgehe, wie viel an Dividenden versteuert und was steuerfrei an die Aktionäre ausgeschüttet worden sei.

Lampart verweist auf einen Bericht der Bank Vontobel, wonach allein die an der Schweizer Börse kotierten Unternehmen bisher 60 Milliarden steuerfrei ausgeschüttet haben. «Und das ist nur die Spitze des Eisbergs», so der Gewerkschafter.

Widmer-Schlumpf wollte Korrekturen

Dieser Meinung war auch Maurers Vorgängerin. Eveline Widmer-Schlumpf sagte 2013 im Parlament, dass aufgrund der steuerfreien Rückzahlung von Einlagen allein bei der Verrechnungssteuer 1,2 Milliarden Franken weniger in die Staatskasse geflossen seien – und das nur im Jahr 2011. Sie plädierte daher für Korrekturen, nicht nur beim Kapitaleinlageprinzip, sondern auch bei der Teilbesteuerung von Dividenden, «die in gewissen Kantonen viel zu tief ist». Doch davon wollte der Nationalrat nichts wissen.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?