Frank A. Meyer
Zuger Kirschtorte

Publiziert: 05.02.2017 um 00:12 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 02:55 Uhr
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Frank A. MeyerPublizist
Frank A. Meyer
Foto: Antje Berghäuser

Christian Dorer, der neue Chef des BLICK, hat zur Unternehmenssteuerreform (USR) III Folgendes formuliert: «Kaufen wir lieber die Katze im Sack, als dass wir unsere Wirtschaft vor die Hunde gehen lassen.»

Fürwahr ein kräftiges Sprachbild. Was will es uns sagen?

Abgesehen davon, dass Katzen immer niedlich sind, also eigentlich immer Kätzchen, sowohl im Sack wie im Freien, macht Dorers Metapher deutlich, dass es sich bei der USR III um eine Vorlage handelt, die nur schwer zu verstehen und deshalb auch nur schwer zu durchschauen ist. Undurchsichtig eben. Wie Sackleinen.

Trotz dieser Intransparenz warnt der mächtige und sprachmächtige Chefredaktor davor, die Reform abzulehnen, ginge doch durch ein Nein «unsere Wirtschaft vor die Hunde». Letzteres ist nicht nur eine finstere Perspektive, sondern die denkbar finsterste überhaupt, was wiederum jeden Bürger, der noch ganz bei Trost ist, zu einem herzhaften Ja an der Urne bewegen sollte.

Ist nun aber «unsere Wirtschaft» nicht etwas mehr als nur die Schweiz der Holdings und Briefkastenfirmen, die ihre Geschäfte so gern an den lieblichen Gestaden des Zugersees tätigen? Damit soll nichts gesagt sein gegen die einfallsreiche und schweiss-treibende Arbeit, die kundige Steueroptimierer verrichten. Sie bescheren dem Geld-Asylland Schweiz immerhin Steuereinnahmen, auf die freiwillig kein Bürger verzichten möchte, der, wie gesagt, noch ganz bei Trost ist.

Ein zweites Mal sei darum – noch etwas vorsichtiger formuliert – die ketzerische Frage gewagt: Ist die Schweizer Wirtschaft nicht vielleicht und womöglich und wenigstens ein bisschen mehr als all die Sonder­gesellschaften, die dank Steuerprivilegien in der Schweiz ihre Fluchtburg finden?

Oder ist die Schweiz tatsächlich nichts als eine Zuger Kirschtorte?

Wäre es tatsächlich so, müssten die Stimmbürger die weltberühmte Willkommens-Leckerei für steuerscheue Ausländer tatsächlich geschlossen verteidigen.

Da es nun aber ganz so schlimm um unser Land nicht stehen kann, jedenfalls noch nicht, da auch die Ein­wände gegen die USR III inzwischen in aller Munde sind, wäre doch immerhin denkbar, die hochkomplexe Angelegenheit zu überdenken, quasi noch einmal drüber zu schlafen.

Das würde bedeuten: Die USR III wird verbessert und somit politisch umweltverträglicher. Ja, Politik folgt bisweilen dem nicht zu verachten­-den Handwerkerspruch: «Meister, die Arbeit ist fertig – soll ich sie gleich flicken?»

Glückliche Schweiz, wäre sie im Fall der Unternehmenssteuerreform II von Hans-Rudolf Merz solcher Einsicht in den Pfusch gefolgt. Nach den Worten des damaligen Finanzministers sollte die USR II den Bund lediglich zwischen 80 und 90 Millionen Franken pro Jahr kosten. Doch schon im ersten mussten Steuerausfälle von über einer Milliarde in Kauf genommen werden.

Ist diesmal alles anders? Kann sein. Muss aber nicht. Dieselbe Steuerverwaltung wie damals verspricht erneut grossen Segen bei bescheidenen Kosten; dasselbe versprechen die Berechnungen privater Beratungsunternehmen, denen Wohl und Wehe von Land und Leuten eher unvertraute Kriterien sein dürften.

Und Finanzminister Ueli Maurer will gar nichts wissen von der Möglichkeit, sein Gesetzeswerk in kurzer Frist zu verbessern, sollte das Volk, das er als strammer SVPler doch stets für sich reklamiert, in einer Woche Nein sagen: «Bis eine neue Reform ins Parlament kommt, bräuchte es mindestens drei Jahre. Im Normalfall sogar vier.»

Allerdings ginge es, zieht das Volk die Notbremse, nicht um den Normalfall, sondern um den Dringlichkeitsfall. Auch dazu äusserte sich der Finanzminister schon einmal, im Januar des vergangenen Jahres – und zwar ganz unaufgeregt: «Ich gehe davon aus, dass der Bundesrat sehr rasch eine neue Vorlage unterbreiten würde. Das Problem ist dringlich und es müsste sofort wieder aufgegleist werden.»

Wem soll man nun Glauben schenken? Ueli Maurer? Oder vielleicht doch eher Ueli Maurer?

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