FDP-Ständerätin Karin Keller-Sutter über die Rentenreform
«Dieses Zückerchen können wir uns nicht leisten»

Der Ständerat hält am 70-Franken-AHV-Zuschlag fest. Die Mitte-links-Allianz politisiere nach dem Motto «Nach mir die Sintflut», sagt FDP-Ständerätin Karin Keller-Sutter (SG). Sie lässt derzeit offen, ob sie die Reform scheitern lassen würde.
Publiziert: 19.12.2016 um 07:47 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 18:53 Uhr
«Eine Blockade zwischen den Kammern ist vorprogrammiert.» Karin Keller-Sutter
Foto: Alessandro della Valle
Interview: Ruedi Studer

Die grosse Rentenreform gehörte zu den zentralen Geschäften der Wintersession. Die Mitte-links-Allianz im Ständerat hält an ihrem Modell mit einem AHV-Zuschlag von 70 Franken für Neurenten fest. Damit sollen die Rentenverluste in den Pensionskassen kompensiert werden.

Die Ratsrechte um FDP-Ständerätin Karin Keller-Sutter (SG) wehrt sich gegen den AHV-Ausbau und fordert eine Kompensation innerhalb der zweiten Säule. Im BLICK-Interview erklärt die FDP-Frau, weshalb der Vorlage der Absturz droht. 

BLICK: Frau Keller-Sutter, der Ständerat bleibt beim 70-Franken-AHV-Zustupf. Jetzt droht die FDP, die ganze Rentenreform an die Wand zu fahren. Ein Scheitern ist doch verboten.
Karin Keller-Sutter:
 Die Reform muss gelingen, aber nicht um jeden Preis. Unsere Kompromisslinien sind klar: Wir sind bereit, die Maximalrenten für Ehepaare zu erhöhen und wollen tiefere Einkommen sozial abfedern. Die Kompensation für die Senkung des BVG-Mindestumwandlungssatzes muss grundsätzlich aber in der zweiten Säule selbst erfolgen.

Damit bleibt der grosse Streitpunkt: Kompensation via AHV oder in der Pensionskasse selbst. Das ist ein ideologischer Grabenkampf.
Es geht nicht um Ideologie, sondern um die Grundkonzepte. Die AHV ist ein Umverteilungswerk. In der zweiten Säule spart jeder individuell für sich selber. Vermischen wir diese beiden Säulen, führt dies zu einer stärkeren Umverteilung. Bezahlen müssen das die Jungen und die heutigen Rentner über Lohnbeiträge beziehungsweise Mehrwertsteuer. Zudem hat das Volk die AHV-Plus-Initiative deutlich abgelehnt.

In Ihrem Modell ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis zum Teil aber massiv schlechter als mit dem AHV-Deal.
Das ist eine politische Aussage, die ich nicht teile.

Das zeigen aber die Modellrechnungen des Bundesamts für Sozialversicherungen.
Was man in die 2. Säule einzahlt, bekommt man auch wieder zurück. Das Problem sind die tiefen Zinsen. Aber die Situation an den Finanzmärkten kann sich auch wieder ändern. Mit dem AHV-Ausbau für Neurentner schaffen wir uns langfristig aber ein riesiges Finanzproblem.

Wieso?
Das Ständeratsmodell ist nur bis 2030 finanziert. Die Zeit danach wird ganz nach dem Motto «Nach mir die Sintflut» völlig ausgeblendet. Dann kommen die Babyboomer in Rente, die alle den AHV-Zuschlag erhalten. Alleine dadurch steigt das AHV-Defizit jährlich um sechs Milliarden Franken! Dann steigt der Druck auf die Erhöhung des Rentenalters.

Was Ihrer Partei ja fordert.
Ich habe hier eine andere Meinung.

Was auffällt: Die Mitte-links-Allianz hält ihren Kurs, das rechtsbürgerliche Lager hingegen springt von Idee zu Idee. Ihnen fehlt ein konzises Gegenkonzept, welches alle mittragen.
Nein, wir haben unsere Haltung im Ständerat nicht verändert. Und ich habe Signale aus dem Nationalrat, dass man sich unserem Konzept anschliessen will.

Bauern und Gewerbler haben ein eigenes Konzept angekündigt.
Ich gehe davon aus, dass dieses nicht aufgenommen wird.

Eine Blockade zwischen den beiden Kammern ist programmiert – und damit auch eine Einigungskonferenz. Dort hat das Ständeratsmodell die besseren Karten.
Das kann sein. Rein von der Zusammensetzung her wird sich Mitte-links in der Einigungskonferenz durchsetzen. Es ist aber offen, ob diese Lösung auch in der Schlussabstimmung durchkommt. Im Nationalrat hat diese Allianz jedenfalls keine Mehrheit.

Es gibt Anzeichen, dass etwa die GLP einlenken könnte. Auch in Ihrer Partei dürfte es Enthaltungen geben.
Warten wir ab.

Dann lassen Sie die Vorlage am Schluss doch scheitern?
Ich entscheide erst, wenn das Resultat vorliegt. Ich bin mir jedenfalls nicht sicher, dass auch alle Sozialdemokraten der Vorlage zustimmen werden. Die Erhöhung des Frauenrentenalters und die Senkung des Umwandlungssatzes werden auf der Linken auch nicht alle schlucken.

Selbst, wenn sich Ihr Konzept durchsetzt. In einer Volksabstimmung haben Sie doch keine Chance gegen den «Rentenklau»-Hammer.
Doch. Wir kompensieren vollständig in der 2. Säule und schnüren damit ein ausgewogenes und sozialverträgliches Paket.

Na ja, das Ständeratskonzept mit dem AHV-Zückerchen ist dem Volk besser zu verkaufen.
Ein solches Zückerchen nur für Neurentner können wir uns schlicht nicht leisten. Ich bezweifle, dass dieser Deal eine Mehrheit finden wird. Ausser der CVP wird sich in einer Volksabstimmung kaum jemand für diese Vorlage engagieren. Die SP nur halbherzig bis gar nicht – und ein Teil der Linken sogar dagegen.

Und die Rechte?
FDP, SVP und Wirtschaftsverbände würden sich wohl kaum für die Vorlage engagieren.

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